Presseberichterstattung über den Prozess gegen die sog. "XY - Bande" vor dem Landgericht Neuruppin



Bild Zeitung
 
Märkische Oderzeitung
Neuruppiner "XY-Bande" steht ab Dienstag vor Gericht
Neuruppin (dpa) Gegen neun Mitglieder der "XY-Bande" beginnt an diesem Dienstag die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Neuruppin. Den Angeklagten werden Verbrechen in einem für Brandenburg bisher kaum gekannten Ausmaß vorgeworfen. In der Anklageschrift heißt es, die Männer im Alter von 30 bis 43 Jahren hätten sich an der Bildung einer kriminellen Vereinigung beteiligt, mit Betäubungsmitteln gehandelt und unerlaubtes Glücksspiel organisiert. Ihren Namen erhielt die Bande, weil ihre Mitglieder auf den Nummernschildern ihrer teuren Autos hinter dem Ortskennzeichen die Buchstaben XY führten. Mutmaßlicher Kopf der Bande war der 36-jährige Kaufmann Olaf Kamrath, der auch CDU-Stadtverordneter war. Er soll von 1997 bis zu seiner Verhaftung im August 2004 sein kriminelles Imperium in der Fontanestadt Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) aufgebaut haben. Das Landeskriminalamt geht davon aus, dass die Bande allein Kokain für insgesamt 1,3 Millionen Euro umgesetzt hat. Bei einer Verurteilung drohen Kamrath und den anderen Mitgliedern des Bandenkerns mehrjährige Haftstrafen. Das Gericht hat bis zum 9. August 20 Verhandlungstage eingeplant. In dieser Zeit sollen 17 Zeugen, darunter ein 37-jähriger Kronzeuge, angehört werden. Der 37-Jährige war im Dezember 2004 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte gestanden, im Auftrag Kamraths monatlich 20 000 Ecstasy-Pillen und ein Kilogramm Kokain angenommen und gestreckt zu haben. Er wurde ins Zeugenschutzprogramm der Justiz aufgenommen.
Montag, 02. Mai 2005 (17:19)
 
Märkische Oderzeitung
Die XY-Bande: Ein Imperium vor Gericht
Neuruppin (MOZ) Matthias Bringmann macht sich Sorgen um seine Stadt. Seit Tagen wird Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) von Journalisten belagert, sagt der PR-Berater aus dem Rathaus. Berichtet wird über illegale Bordelle, verbotenes Glücksspiel, den Handel mit harten Drogen. Am Dienstag begann der Prozess. Der mafiöse Filz zog sich bis August vorigen Jahres durch die gesamte Stadt. Mit im Boot saß der CDU-Politiker und Stadtverordnete Olaf K. (36). Er hat sich an dubiosen Geschäften ebenso bereichert wie der Leiter des Liegenschaftsamtes, ein Polizist und zahlreiche Geschäftsleute. Mehr als 2,4 Millionen Euro soll das mafiöse Imperium mit Kokain und osteuropäischen Prostituierten erwirtschaftet haben. Staatsanwaltschaft und Polizei ermittelten insgesamt gegen mehr als 100 Beschuldigte. In der Stadt sind die Straßen am Dienstag viel voller als sonst. Nur vor dem Landgericht geht es beschaulich zu. Der Prozess gegen neun Mitglieder der so genannten XY-Bande lockt kaum Zuschauer an. Drinnen geht es zu wie im Wartezimmer einer Arztpraxis. "Der Nächste bitte!", ruft der Vorsitzende Richter Gert Wegner in Richtung Anklagebank. Alles lacht. Mit dieser Aufforderung nimmt die 1. Große Strafkammer einen von acht Anträgen der Rechtsanwälte entgegen. Immer wieder muss die Verhandlung deshalb unterbrochen werden. Die Strafkammer zieht sich zur Beratung zurück. So schleppt sich der Tag zäh in den späten Nachmittag. Im Saal fällt es mitunter schwer, den Überblick zu behalten. Mehr als die Hälfte des Raumes ist mit Bänken und Stühlen für die neun Angeklagten gefüllt. An ihren Seiten sitzen jeweils zwei Rechtsanwälte. Es ist vor allem die 95-seitige Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Neuruppin, die die Verteidiger ins Visier nehmen. Es wird von "Ungereimtheiten" und allerlei Fehlern gesprochen. Überhaupt sei Neuruppin als Verhandlungsort nicht tragbar, findet Anwalt Rainer Elfferding. Er vertritt Carsten O. (35), die rechte Hand des Olaf K. "Durch die unzählige Berichterstattung hat es eine Vorverurteilung gegeben", ist Elfferding überzeugt. Deshalb dürfe der Prozess nicht in Brandenburg stattfinden. "Wie wäre es mit Rostock?", ruft Verteidiger Steffen Kalauch in den Saal. Auch Aurich sei geeignet, heißt es aus der Riege. Solche Versuche schmettern Gert Wegner und seine Crew aus zwei weiteren Richtern und zwei Schöffen souverän ab. Letztendlich gerät die Strafkammer so selbst unter Beschuss. Moniert wird ihre Besetzung, weil der Name eines Schöffen angeblich zu spät bekannt gegeben wurde. Darüber hinaus ist die XY-Bande für Anwalt Jörg Barthel ein klarer Fall für die Staatsschutzkammer des Oberlandesgerichtes in Brandenburg/Havel. Am späten Nachmittag bremsen die Richter auch diesen Anlauf aus. Der Prozess wird nächste Woche Montag fortgesetzt. Bis dahin hat PR-Berater Matthias Bringmann alle Hände voll zu tun, um das Image zu polieren. Nach der Festnahme inthronisierte Neuruppin einen Beauftragten gegen Korruption, sagt der frisch gewählte Bürgermeister Jens-Peter Golde. Viel zu tun hat der Mitarbeiter bislang nicht. Dafür wurde die Stadt an anderer Stelle tätig. Eine Mitarbeiterin im Gewerbeamt - so zuständig für die Erlaubniserteilung von Spielotheken - wurde fristlos entlassen, weil sie mit der XY-Bande unter einer Decke steckte. Dem früheren Leiter des Liegenschaftsamtes droht ein ähnliches Schicksal, wenn sein Urteil Rechtskraft erlangt. Bis dahin behält die Stadt das Gehalt von Roger G. ein, weil er der Stadt mit illegalen Immobiliengeschäften geschadet hat.
Mittwoch, 04. Mai 2005 (09:41)
 
Märkische Oderzeitung
Prozess gegen die XY-Bande wird fortgesetzt
Neuruppin (ddp) Mit der Vernehmung der Beschuldigten wird an diesem Dienstag vor dem Landgericht Neuruppin der Prozess gegen die mutmaßlichen Mitglieder der XY-Bande fortgesetzt. In einem der größten Prozesse gegen die organisierte Kriminalität in Ostdeutschland sind neun Männer aus Neuruppin im Alter zwischen 30 und 43 Jahren angeklagt. Während sich einige Angeklagte vor Gericht nicht zur Sache äußern wollen, haben andere Erklärungen angekündigt. Kopf der Bande ist der Staatsanwaltschaft zufolge der Neuruppiner CDU-Stadtverordnete Olaf K. Am ersten Verhandlungstag am 3. Mai hatte die Staatsanwaltschaft die 25-seitige Anklageschrift verlesen. Acht Personen müssen sich unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht verantworten. Gegen eine weitere wird außerdem wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verhandelt. Darüber hinaus sind die Männer in 251 Fällen des bandenmäßigen Drogenhandels angeklagt. 45 Kilogramm Kokain zum Marktwert von 1,3 Millionen Euro sollen umgesetzt worden sein. Den Hauptangeklagten drohen im Fall einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft. Mit der Beweisaufnahme wurde noch nicht begonnen, mehr als 150 Zeugen hat die Staatsanwaltschaft benannt. Mit einem Urteil noch in diesem Jahr wird nicht gerechnet. Angesetzt sind zunächst 20 Verhandlungstage. Doch Prozessbeobachter gehen davon aus, dass 100 nötig sein werden. Für den Prozess sind am Landgericht zusätzliche Gefängnis-Container aufgestellt worden. Der Name der Bande rührt daher, dass die Mitglieder auf den Nummernschildern ihrer Nobelkarossen nach dem Ortskennzeichen die Buchstabenfolge XY führten.
Montag, 09. Mai 2005 (11:19)
 
Märkische Oderzeitung
XY-Angeklagter: "Eine Firma - und keine Bande"
Neuruppin (MOZ) Im Prozess gegen Mitglieder der XY-Bande von Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) hat ein Angeklagter am Montag ein Geständnis abgelegt. Zwei Tage nach seinem 36. Geburtstag sagte Carsten O., dass er nicht freiwillig in die Geschäfte um illegale Drogen, verbotenes Glücksspiel und Prostitution eingestiegen sei. Anlass sei vielmehr die langjährige Freundschaft zu dem früheren CDU-Kommunalpolitiker Olaf K. (36) gewesen. "Eines Tages hat er mich gebeten, ein Kokaingeschäft für ihn zu übernehmen", heißt es in einer schriftlichen Erklärung, die Rechtsanwalt Rainer Elfferding für seinen Mandanten Carsten O. vor der 1. Großen Strafkammer verlas. "Ich war nicht begeistert, aber er war mein Freund, deshalb stimmte ich zu." Die Entscheidung habe er später sehr bereut. "Ich wollte nie etwas mit Drogen zu tun haben", heißt es in der Erklärung weiter. Kokain hielt er nach eigenen Angaben für keine gefährliche Droge, weil "sie in besseren Kreisen konsumiert" wurde. Was das weiße Pulver für Auswirkungen habe kann, habe er erst später mitbekommen. "Olaf K. und die anderen zogen sich bei jeder Gelegenheit eine Linie ein", so der Wortlaut der Erklärung. Sein Freund sei anschließend ein völlig anderer Mensch gewesen. "Er litt unter Größenwahn und Allmachtsgefühlen." Der Umgang mit dem früheren Abgeordneten der Stadt Neuruppin sei in solchen Situationen nicht leicht gewesen. "Das habe ich ihm auch mal gesagt, seit dem hat er mich nie wieder um die Übernahme eines Drogengeschäftes gebeten." Allerdings hatte Carsten O. mittlerweile einen eigenen Kundenstamm aufgebaut. Dazu soll auch ein Mann aus Potsdam gehören, den er im Gefängnis kennen gelernt hatte. Der 36-jährige Angeklagte ist wegen der Förderung von Prostitution vorbestraft. Am zweiten Prozesstag kritisierte Rechtsanwalt Elfferding die "willkürliche Auswahl der Angeklagten". Sein Mandant fühle sich nicht als Mitglied einer Bande, sondern als Gesellschafter einer Firma, sagte der Verteidiger von Carsten O. Der 36-Jährige gilt neben Olaf K. als Hauptangeklagter. Nach eigenen Angaben will er nur etwas mit drei der sechs in der Anklageschrift erwähnten Spielotheken zu tun gehabt haben. Dass dort illegales Glücksspiel betrieben wurde, sei ihm "nicht bewusst gewesen", so der Angeklagte. Deshalb habe er auch nie geahnt, dass er sich strafbar macht. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sollen die Mitglieder der XY-Bande rund eine Million Euro mit dem verbotenen Glücksspiel verdient haben. Weitere 1,4 Millionen Euro flossen durch den Kokainhandel in die Geldbörsen der Angeklagten. Im Prozess kritisierte der gelernte Elektromonteur Carsten O., dass er auf der Fahrt vom Gefängnis in Brandenburg an der Havel zum Gericht nach Neuruppin gefesselt transportiert werde. Dieser Umgang sei für ihn eine Vorverurteilung. Auch der Bürgermeister der Stadt Neuruppin, Jens-Peter Golde, habe mit einer Pressemitteilung zu dieser Stimmung beigetragen. Eine Firma für Öffentlichkeitsarbeit hatte am ersten Prozesstag eine Erklärung des Bürgermeisters vor dem Gerichtssaals verteilt. Darin heißt es unter anderem, dass die Bürger der Stadt Neuruppin nach der Festnahme der Bande im August vorigen Jahres aufgeatmet haben. "Dieses Verhalten des Bürgermeisters ist eine Ungeheuerlichkeit", sagte Rechtsanwalt Rainer Elfferding. Nach seiner Ansicht sei das "der offene Versuch" Einfluss in den Prozess zu nehmen. Deshalb forderte der Verteidiger: "Der Bürgermeister gehört unter Beobachtung des Verfassungsschutzes." Der Vorsitzende Richter Gert Wegner versicherte dem Verteidiger, dass er sich vom Bürgermeister der Stadt nicht beeinflussen lasse. "Herr Gaude soll auch bitte nicht versuchen, mit uns Kontakt aufzunehmen", appellierte der Vorsitzende in Richtung Rathaus. Der Prozess wird an diesem Dienstag vor dem Landgericht Neuruppin mit der Befragung von Polizeibeamten fortgesetzt. Für dem 24. Mai hat der Hauptangeklagte Olaf K. angekündigt, sich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft zu äußern.
Montag, 09. Mai 2005 (18:00)
 
Märkische Oderzeitung
Hauptangeklagter im Neuruppiner XY-Prozess legte Teilgeständnis ab
Neuruppin (MOZ) Vor dem Landgericht Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) war am Dienstag mit Spannung ein angekündigtes Geständnis des Chefs der XY-Bande erwartet worden. Die Einlassung des 36-jährigen Olaf K. fiel nach Ansicht der Staatsanwaltschaft jedoch mehr als dürftig aus. Der frühere CDU-Politiker und Stadtverordnete gab nur solche Informationen preis, die die Ermittler längst kannten. Das Angebot klingt mehr als verlockend. Wenn sich Olaf K. zu einer Beichte durchringen würde, könnte der Vorsitzende Richter Gert Wegner bei der Höhe der Gefängnisstrafe eine Grenze festsetzen. Der Vorschlag kreiste um die zehn Jahre. Offenbar hat der 36-jährige Angeklagte aus Neuruppin aber mit einem besseren Vorschlag gerechnet. Nach zähen Verhandlungen schlägt er mit seinen Rechtsanwälten Wolfgang Panka und Günther König die Offerte aus. Die große Beichte endet deshalb nicht als Paukenschlag, sondern als leiser Trommelwirbel. Um dennoch in den Genuss einer milderen Strafe zu kommen, macht der Angeklagte Zugeständnisse und plaudert vage über seine ausgiebigen Geschäfte mit illegalen Drogen. Die Einzelheiten ohne Neuigkeitswert trägt Rechtsanwalt König aus einem Schreiben des Angeklagten vor. Selber reden will Olaf K. an diesem vierten Verhandlungstag nicht. Ohnehin gibt sich der Mann mit dem kahl rasierten Kopf als bescheiden. Seine Partner im Geschäft um verbotene Drogen, illegales Glücksspiel und Prostitution will er nicht mit Namen nennen. Jeder solle „seine eigene Chance haben, sich zur Sache zu äußern“, heißt es da. Und er lässt keinen Zweifel daran, dass längst nicht alle Mitglieder der XY-Bande gefasst sind: „... einige sitzen im Saal, andere nicht ...“ In die Welt von Glamour, Sex und Kokain will K. vor sieben Jahren durch einen Zufall geraten sein. Als im März 1998 seine Bowlingbahn durch den Absturz einer Zwischendecke zerstört wird, macht er die Bekanntschaft von Uwe L. „Er hat mich gefragt, ob ich ihm ein Kilo Kokain besorgen könnte“, liest der Rechtsanwalt vor. „Damals habe ich mich damit getröstet, dass Kokain eine Edeldroge ist, nicht so ein Zeug wie Heroin.“ Wie Olaf K. an das Rauschgift kommt, will er nicht bis ins Detail sagen. Offenbar verfügt der frühere Stadtverordnete aber über vorzügliche Kontakte nach Holland. Von dort bezieht er das Rauschgift gleich kiloweise. Namenlose Händler liefern den Stoff bis an seine Haustür. Anschließend wird das weiße Pulver mit Milchpulver gestreckt. So macht die XY-Bande gleich doppelten Gewinn. Einige Gramm behält der 36-Jährige für den eigenen Konsum. Was K. in seiner halbherzigen Beichte verschweigt, sind die rüden Umgangsformen. Dealer, die ihre Rechnungen nicht rechtzeitig zahlen, werden bedroht, erpresst, misshandelt. Die Bekanntschaft mit den Schlägern des Schutztrupps macht etwa ein Tankstellenpächter aus Neuruppin. Weil dessen Sohn offene Rechnungen hat, will die Bande das Geschäft des Vaters in Brand stecken. Eine Explosion der Benzin-Depots kann nur verhindert werden, weil der Vater mehrere 10000 Euro zahlt. Staatsanwalt Kai-Uwe Scholz ist überzeugt, dass die kriminelle Vereinigung mehr als 2,4 Millionen Euro mit verbotenen Drogen und illegalem Glücksspiel verdient hat. Der Angeklagte Olaf K. kommt bei seiner Rechnung auf einen wesentlich geringeren Gewinn. 250000 Euro, so heißt es in seiner schriftlichen Aussage, habe die Bande für Drogen kassiert. Von dem Geld soll nicht nur K. profitiert haben. Für den nächsten Verhandlungstag am Montag ist ein Zeuge der besonderen Art angekündigt. Mario L. gilt als Kronzeuge. Weil er bei den Ermittlern umfangreich über die Strukturen der Bande plauderte, wurde er ins Zeugenschutzprogramm des Landeskriminalamtes aufgenommen. Mit neuem Namen und neuem Wohnort soll er künftig vor Repressalien aus dem Dunstkreis der XY-Bande geschützt werden. Die nächsten Jahre muss Mario L. – einst selbst Dogenhänder in Neuruppin – jedoch zunächst im Gefängnis verbringen. Er war im Sommer 2004 zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Diese Höhe gibt einen Ausblick darauf, dass Olaf K. bei einer Verurteilung mit deutlich mehr rechnen muss. Die Chance auf einen Handel mit der 1. Großen Strafkammer hat er jedenfalls am Dienstag verspielt.
Dienstag, 24. Mai 2005 (15:26)
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Auf den Zeugen wird verzichtet
XY-Prozess: Gericht sagt heutigen Verhandlungstag ab
NEURUPPIN Der Saal war voll, aber viel bekamen die Zuschauer des gestrigen, elften Verhandlungstages im XY-Prozess vor dem Neuruppiner Landgericht nicht zu sehen. Stefan I., im Januar wegen Drogenhandels zu fünf Jahren Haft verurteilt, inzwischen aber wieder auf freiem Fuß, sagte als Zeuge aus. Er bestätigte, was der Angeklagte Carsten O. bereits zugegeben hatte: dass es mehrere Drogendeals zwischen ihm und O. in Potsdam gegeben habe. Indes konnte er nur bei einem Kokaingeschäft - er kaufte damals 500 Gramm der Droge zu einem Preis von 3000 Mark - exakt sagen, wann es stattgefunden haben soll. Überdies habe er mit genauen Angaben über Daten, Übergabeorte , Mengen und Preise nicht dienen können, so Justizsprecher Frank Jüttner. Heute sollte der zwölfte Verhandlungstag im Prozess gegen die Neuruppiner XY-Bande im Landgericht stattfinden. Doch die Erste Große Strafkammer hat ihn kurzfristig abgesagt. Hauptsächlich, weil alle Prozessbeteiligten sich geeinigt haben, dass man auf die Zeugenvernehmung von Mike I., dem Bruder von Stefan I., gut und gern verzichten könne. In Anbetracht des Teilgeständnisses, das Carsten O. abgelegt hatte, versprach sich wohl niemand einen Erkenntnisgewinn durch diesen Zeugen. Der XY-Prozess geht am kommenden Montag weiter, dann unter anderem mit der Anhörung eines Gutachters, der sich mit dem Angeklagten Sandy B. befasst hat. Auf Antrag von B.s Anwalt Veikko Bartel soll die Frage geklärt werden, ob der 31-jährige Sandy B. überhaupt oder nur eingeschränkt schuldfähig ist. Der Angeklagte hatte angegeben, schwer kokainabhängig zu sein, wodurch die Straftaten - der Kauf von größeren Mengen Kokain und der Verkauf an Kleinabnehmer - befördert worden seien. kat
Märkische Allgemeine Zeitung 14.06.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Süchtig nach Drogencocktails
Gutachter bescheinigt Abhängigkeit
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Der psychiatrische Gutachter Alexander Böhle aus Berlin hat Sandy B., einem der neun Angeklagten im Prozess gegen die XY-Bande vor dem Neuruppiner Landgericht, gestern ein "Abhängigkeitssyndrom von multiplen Substanzen" bescheinigt. B. sei schwer drogenabhängig gewesen, sowohl von Heroin als auch von Kokain, Amphetaminen, Tabletten und Marihuana. Er sei momentan abstinent und werde psychiatrisch betreut. Ohne diese Betreuung und in seinem gewohnten Umfeld würde er "sehr wahrscheinlich sehr schnell rückfällig" werden.Weder das Gericht noch B.s Verteidiger hatten danach noch Fragen an den Gutachter Böhle. Hintergrund ist der Versuch von Sandy B.s Anwalt Veikko Bartel, für seinen Mandanten eine Strafminderung wegen verminderter Schuldfähigkeit zu erhalten. Es könnte indes auch passieren, dass das Gericht anweist, den 31-Jährigen in eine Entziehungsanstalt einzuweisen. Auch der mutmaßliche Kopf der XY-Bande Olaf Kamrath will eine verminderte Schuldfähigkeit zuerkannt haben - ebenfalls wegen schwerer Drogensucht. Ob für ihn ebenfals ein Gutachter bestellt wird, ist noch nicht entschieden. Die Vernehmung des Zeugen Uwe L., der am 7. Juni im XY-Prozess über große Kokaingeschäfte mit Olaf Kamrath und anderen Angeklagten ausgesagt hatte, hat vermutlich noch ein Nachspiel. Der Verteidiger von Carsten O., Rainer Elferding, der Uwe L. damals fast zwei Stunden lang ins Kreuzverhör genommen hatte, will zusätzliche Zeugen aus den Reihen von Staatsanwaltschaft und Ermittlern hören, um zu beweisen: Uwe L. habe vor Gericht gelogen. L. hatte vehement bestritten, einen Handel mit der Staatsanwaltschaft gemacht zu haben - Aussage gegen Kamrath und Carsten O. gegen ein mildes Urteil im eigenen Verfahren. Nach Überzeugung von O.s Verteidigung habe es aber doch einen Handel gegeben. Uwe L. habe demnach, so Elferding, Kamrath und Carsten O. belastet, um sich ein mildes Urteil zu erkaufen und sich womöglich auch zu rächen. Die Staatsanwaltschaft soll sich zu den Vorwürfen in der nächsten Woche äußern.
Märkische Allgemeine Zeitung 21.06.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Briefe an Kamraths Freunde
NEURUPPIN War Olaf Kamrath in den Jahren 1999 bis 2003 wirklich so stark kokainabhängig, wie er vor Gericht behauptet hat? Bevor die Erste Große Strafkammer des Landgerichtes Neuruppin, in der der so genannte XY-Prozess läuft, einen Gutachter zur Klärung bestellt, recherchiert sie erst einmal bei Kamraths Sport- und Parteifreunden. Das Gericht hat den Sportverein Union Neuruppin und den CDU-Stadtverband Neuruppin per Brief um Hilfe gebeten. Die Unioner - Kamrath war bis zu seiner Verhaftung im August 2004 dort Präsident und Spieler - sollen Unterlagen über alle Spieleinsätze und Vorstandssitzungen in diesem Zeitraum einreichen. Das bestätigte Markus Fetter. "Ein Großteil der Unterlagen befindet sich aber seit August 2004 bei der Staatsanwaltschaft", sagt er. Was noch da sei, werde der Verein zur Verfügung stellen. Vom CDU-Stadtverband will die Kammer wissen, an welchen Sitzungen Kamrath von 1999 bis August 2003 teilgenommen hat. Kamrath ist im Herbst 2003 in die Partei eingetreten.
Märkische Allgemeine Zeitung 28.06.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Maskiert in den Zeugenstand
Der Verdeckte Ermittler sagte im XY-Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Als der Zeuge im Gerichtssaal erschien, setzten die Verteidiger von Olaf Kamrath und Carsten O. demonstrativ ihre Sonnenbrillen auf. Dunkle Gläser als Zeichen des Protestes. Zuvor hatten die Anwälte, insbesondere O.s Verteidiger Rainer Elferding, vergeblich mit allen juristischen Finessen dagegen gekämpft, dass der Verdeckte Ermittler gegen die XY-Bande nur maskiert - Bart, Perücke, Brille - unter seinem Tarnnamen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit im XY-Prozess vor dem Neuruppiner Landgericht aussagen sollte. Doch der Vorsitzende Richter Gert Wegner ließ die komplette Tarnung zu. Der Polizeispitzel, der anderthalb Jahre versucht hatte, die XY-Bande zu unterwandern, gefährde anderenfalls nicht nur sich selbst, sondern auch seine weiteren Einsätze. Mit dieser Begründung hatte das Bundesinnenministerium die Notwendigkeit des totalen Inkognitos des BKA-Beamten vor Gericht begründet. Richter Wegner folgte der Argumentation. Das Bundeskriminalamt hatte den Verdeckten Ermittler auf Bitten des Landeskriminalamtes im September 2000 in Neuruppin eingesetzt. Getarnt als der Weinimporteur Achim Nickel, erschien der Polizeibeamte in Frankys Bar, dem Stammlokal der Bande. Er habe geschäftlich jetzt viel in Neuruppin zu tun und sei deshalb hier auf Wohnungssuche, erzählte der angebliche Geschäftsmann dort. Zwei weitere Verdeckte Ermittler des BKA waren nur zu dem Zweck eingesetzt, den Hintergrund für diese Legende zu bilden. Mit der Mär von der Wohnungssuche machte sich der Spitzel an Carsten O., damals Inhaber eines Immobilienbüros, heran. Zu O. hatte er auch den besten Kontakt. Er fuhr sogar gemeinsam mit ihm zum Formel-1-Rennen nach Melbourne, Australien. Doch große Geheimnisse über Drogengeschäfte oder Glücksspiel-Tricks ließ sich O. nicht enlocken, ebenso wenig wie die anderen XY-Leute, die von an Anfang an misstrauisch gewesen seien. So konnte der BKA-Mann gestern auch nur aussagen, dass er "in keinem Fall", so Gerichtssprecher Frank Jüttner anschließend, Zeuge von Drogengeschäften oder Gesprächen darüber wurde. Wohl aus diesem Grund zog das Landeskriminalamt den Ermittler im Februar 2002 wieder ab. Ob es sich bei der XY-Bande um eine kriminelle Vereinigung gehandelt hat, darüber konnte der getarnte Zeuge nur spekulieren. Er gab lediglich an, dass Olaf Kamrath, Carsten O., Frank G. und Jürgen D. "der harte Kern" der Truppe gewesen seien, dass Daniel B. ein "Knecht" und Olaf E. lediglich ein Fahrer gewesen seien und dass Olaf Kamrath immer das letzte Wort gehabt habe. Indes vermutete auch er, dass Kamrath kokainabhängig gewesen sei. Die zeitweise fahrige und aufgeregte Art des sonst so ausgeglichenen Geschäftsmannes habe dies vermuten lassen.
Märkische Allgemeine Zeitung 28.06.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Kaputt durch Kokain
XY-Prozess: Chronik einer Drogenkarriere
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Am Montag hatte die Erste Große Strafkammer des Landgerichtes Neuruppin im Prozess gegen die XY-Bande noch gerätselt: Warum wollte Gregor F. (18), früherer Kokainkunde des XY-Angeklagten René N. und nun ein Zeuge, vor Gericht nicht aussagen? Bei der Polizei hatte er doch noch bereitwillig über seine Drogenkäufe geredet, René N. als Dealer identifiziert und weitere Bandenmitglieder belastet. Gestern lieferten Gregor F.s Familienangehörige eine mögliche Erklärung für dessen Schweigen. Vielleicht wollte der nicht öffentlich über seine Drogensucht reden. Eine Sucht, die laut Mutter und Schwester seine Karriere, seine Gesundheit und schließlich die Familie kaputtgemacht habe. "Gregor wird noch lange nicht in der Lage sein, sich gesellschaftlich einzugliedern oder geistige Tätigkeiten zu verrichten", sagte dessen Mutter Christel F. "Ich glaube, er ist dauerhaft geschädigt." Mit 14 oder 15 habe Gregor angefangen, Drogen zu nehmen, berichtete gestern Christel F. Mit den schulischen Leistungen sei es dann bald rapide bergab gegangen, Gregor habe immer öfter geschwänzt und nicht einmal den Abschluss der achten Klasse. Mehrere überbetriebliche Lehrausbildungen habe er abgebrochen. Ständig habe ihr Sohn sie um Geld gebeten, dabei "auf die Tränendrüse gedrückt". Später habe er auch die Familie bestohlen, einmal sogar mit der geklauten EC-Karte das Konto der Mutter abgeräumt. Erst als die Familie den Geldhahn zudrehte und Gregor F. schließlich vor die Tür setzte, sei der zur Therapie bereit gewesen. Fünf oder sechs Entgiftungen in der Klinik habe ihr Bruder bereits hinter sich, schätzte Juliane F. Zwei Therapien habe er angefangen, so die Mutter, aber nicht zum Schluss durchgehalten. "Er wollte partout nicht mehr." Immer wieder gab es deshalb im Hause F. Szenen, bis die Situation im Februar 2004 eskalierte. Ihr Bruder sei total ausgerastet und mit einem Messer auf seine Familie losgegangen, so Juliane F.. Er habe aufgeregt, fahrig, geradezu bösartig gewirkt, sagte Christel F. Vermutlich habe er Entzugserscheinungen gehabt. Die Polizei nahm Gregor F. mit, ließ sich später von Mutter und Tochter Plätze zeigen, an denen sich Gregor F. aufgehalten hatte. Juliane F. führte die Beamten zur Wohnung des XY-Angeklagten René N. Obwohl außer den Beamten niemand von ihrer Stadtrundfahrt im Polizeiwagen wusste, hatte die Sache für Juliane F. ein Nachspiel. Zwei Tage später habe René N. sie im Neuruppiner JFZ am Hals gepackt, angeschrien und geschubst: "Du Schlampe, du hast mich bei den Bullen verpfiffen." Juliane F. vermutet, ein Polizist habe verraten, dass sie die Ermittler auf René N.s Spur gebracht hatte. Laut Staatsanwaltschaft hat Gregor F. dies in seiner Vernehmung gegenüber dem LKA bestätigt.
Märkische Allgemeine Zeitung 06.07.2005
 
Märkische Oderzeitung
"Ich habe so lange gezogen, bis nichts mehr in die Nase passte"
Neuruppin (dpa) Im Verfahren gegen die XY-Bande in Neurupping ist am Montag der letzte Verhandlungstag vor der Sommerpause. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen die neun Angeklagten im Alter zwischen 31 und 40 Jahren sind gewichtig und zeichnen das Bild eines kriminellen Sumpfes: Gründung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, Drogenhandel, der Betrieb eines Bordells und die Organisation illegalen Glücksspiels. Schweigegeld soll gezahlt worden sein. Der Kokainhandel soll einen Erlös von 1,4 Millionen Euro erzielt haben. Zeitweise wurde gegen 100 Beschuldigte ermittelt. In mehreren Bundesländern gab es Razzien. Eine der Hauptfragen des Prozesses ist, wie stark die Kriminalität um den Hauptangeklagten, den Ex-Politiker Olaf K. (36) organisiert war. Im Mai legte er ein Teilgeständnis ab und räumte den bandenmäßigen Drogenhandel ein. Um 22 Kilogramm Kokain soll es sich gehandelt haben. Er bezifferte seinen Gewinn auf 250000 Euro. Weitere Drogengeschäfte und die Bildung einer kriminellen Vereinigung stritt er allerdings ab. Bei der Verbindung zu den anderen Angeklagten soll es sich um eine "Männerfreundschaft" gehandelt haben. Der Vorwurf einer kriminellen Vereinigung und die Drogendelikte könnten für K. ein Strafmaß von bis zu 15 Jahren bedeuten. Im Juni machten die Anwälte K.s geltend, ihr Mandant sei wegen starker Kokain-Abhängigkeit nur vermindert schuldfähig. In Spitzenzeiten habe er bis zu zehn Gramm täglich genommen. "Die Linie wurde stärker, dicker und länger", sagte der Angeklagte in einer Erklärung. Er habe "so lange gezogen, bis nichts mehr in die Nase passte". Die Dauer des Prozesses, der am 9. August fortgesetzt wird, ist noch völlig unklar. Beobachter gehen davon aus, dass das Verfahren dieses Jahr nicht mehr abgeschlossen wird.
Märkische Oderzeitung Donnerstag, 07. Juli 2005 (17:51)
 
Märkische Oderzeitung
Weiterer Beschuldigter der «XY-Bande» in Untersuchungshaft
Neuruppin (MOZ) In Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) hat die Polizei ein weiteres Mitglied der XY-Bande festgenommen. Der 37-jährige Ralf S. soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft maßgeblich das illegale Glücksspiel für die kriminelle Vereinigung organisiert haben. Dabei sollen Steuern im „erheblichen Umfang“ hinterzogen worden sein, sagte gestern Oberstaatsanwalt Frank Winter. Warum der Beschuldigte erst jetzt in Untersuchungshaft kam, erklärt die Staatsanwaltschaft mit dem schwierigen Nachweis von Steuerhinterziehungen. Gegen neun weitere Mitglieder der Bande verhandelt das Landgericht Neuruppin seit mehr als zwei Monaten. Gestern verabschiedete sich die 1. Große Strafkammer zunächst bis zum 8. August in eine Sommerpause. Bundesweit soll die Bande aus Neuruppin in acht Spielotheken illegales Glücksspiel betrieben haben. Nach Angaben der Ankläger verdienten die Beschuldigten dort mehr als eine Million Euro. „Die Spielotheken liefen unter der Regie von Ralf S.“, berichtete Oberstaatsanwalt Winter über den jetzt inhaftierten Tatverdächtigen. Darüber hinaus flossen den Angaben zufolge 1,3 Millionen Euro für illegale Drogen – vor allem Kokain. Die Staatsanwaltschaft will gegen den 37-jährigen Ralf S. nun so „schnell wie möglich“ Anklage vor dem Landgericht in Neuruppin erheben. Der Prozess gegen seine früheren Geschäftspartner weitere sich unterdessen aus. Die 1. Große Strafkammer hat gestern Termine bis zum 20. Dezember vergeben.
Märkische Oderzeitung Montag, 11. Juli 2005 (13:09)
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Schwerkrank in den Zeugenstand
XY: Vernehmung über Kokainverkauf an Minderjährige musste abgebrochen werden
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Es war ein Bild des Jammers, das die Zeugin bot. Blass, schmerzgebeugt, eine Hand auf den Leib gepresst - so schleppte sich Steffi I. gestern ins Neuruppiner Landgericht, um im XY-Prozess auszusagen. Sie sei gerade erst operiert worden und habe noch drei Wochen Bettruhe, teilte sie auf Nachfrage mit. Die Verteidiger waren empört. Ihr Zorn darüber, dass man die 20-Jährige trotz ihres angegriffenen Gesundheitszustands von Dresden anreisen ließ, um als Belastungszeugin aufzutreten, entlud sich in Richtung des Potsdamer Rechtsanwaltes Henry Timm. Der hätte als Zeugenbeistand die Vernehmung unterbinden müssen. "Das geht doch so nicht", entrüstete sich René N.s Verteidigerin Marianne Zagajewski. Doch Rechtsanwalt Timm sah keinen Grund, die Zeugenbefragung abzubrechen. Es sei Steffi I.s Wunsch, auszusagen, um "die Sache hinter sich zu bringen", erklärte er. Sie werde mitteilen, wenn es nicht mehr gehe. Nach nur wenigen Minuten brauchte Steffi I. dringend eine Unterbrechung. Sie war trotz Pause nicht mehr vernehmungsfähig. Wie ein Rohrspatz schimpfte Carsten O.s Verteidiger Mirko Röder in der Pause auf Zeugenbeistand Henry Timm: "Ist der Mann überhaupt Anwalt?" Der Vorsitzende Richter Gert Wegner versuchte die Wogen zu glätten - doch die Verteidigung blieb aufgebracht. Richter Wegner verkündete schließlich, Steffi I.s Zeugenvernehmung werde ausgesetzt, bis sich die 20-Jährige wieder fit genug fühlt. Eine Geduldsprobe für die Angeklagten Sandy B. und René N., die durch Steffi I.s Aussage stark belastet werden. Von beiden will die junge Frau, damals noch ein Mädchen von 15, 16 Jahren, Kokain gekauft haben - zeitweise sogar täglich. Drogenverkauf an Minderjährige wird besonders hart bestraft. Wegen der Drogenkäufe läuft auch ein Ermittlungsverfahren gegen Steffi I., dessen Ausgang nach Auskunft der Staatsanwaltschaft "noch offen ist". Am Nachmittag saßen nacheinander zwei Kriminalkommissare des Landeskriminalamtes (LKA) im Zeugenstand. Weil sich Zeuge Gregor F. in der vergangenen Woche auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen hatte, sollten die Ermittler nun sagen, was Gregor F. in seinen polizeilichen Vernehmungen ausgesagt hatte. Auch F. war ein minderjähriger Drogenkonsument. Er bezog sein Kokain vorwiegend von René N., aber wohl auch von Sandy B. Beide erweckten den Argwohn der Verteidigung. Grund: Sie versicherten, Gregor F. darauf hingewiesen zu haben, dass er durch seine Aussagen vom Zeugen zum Beschuldigten geworden sei und somit das Recht auf einen Anwalt habe. Im Vernehmungsprotokoll taucht der Vermerk über diese zwingende Belehrung indes nicht auf. Der XY-Prozess wird nach der Sommerpause am 9. August fortgesetzt.
Märkische Allgemeine Zeitung12.07.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Erneut XY-Mitglied in Haft genommen
Sommerpause in spektakulärem Prozess
NEURUPPIN Kurz vor Beginn der Sommerpause im Prozess gegen die XY-Bande in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) ist ein weiterer Verdächtiger in Untersuchungshaft genommen worden. Dem 37-jährigen Geschäftsmann Ralf S. wird vorgeworfen, in acht Spielotheken in Neuruppin und anderen Orten illegales Glücksspiel mitorganisiert zu haben, teilte die Staatsanwaltschaft gestern mit. Ralf S. - in mehreren Glücksspielfirmen Partner des mutmaßlichen Bandenchefs Olaf Kamrath und des ebenfalls angeklagten Jürgen D. - stand am Tag der Großrazzia in Neuruppin auf der Liste der Verdächtigen, wurde aber damals nicht festgenommen. Inzwischen gebe es aber neue Erkenntnisse über seine Tatbeteiligung, so Oberstaatsanwalt Frank Winter gegenüber der MAZ. "Es besteht nun wegen der höheren Straferwartung eine Fluchtgefahr." Der Haftbefehl wurde am Freitag erlassen und sofort vollstreckt. Im Gegensatz zu den neun Angeklagten im so genannt XY-Prozess werden Ralf S. keine Drogengeschäfte vorgeworfen. Er soll aber "in ganz erheblichem Umfang" Steuern hinterzogen und gemeinsam mit anderen Bandenmitgliedern illegales Glücksspiel betrieben haben. S. wird auch die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. In Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die XY-Bande sitzen nun sieben Männer in Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen den jetzt inhaftierten Ralf S. war aus dem derzeit vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin laufenden Prozess abgetrennt worden. Gestern hörte das Gericht weitere Zeugen zu den Drogenvorwürfen. Diesmal ging es - wie schon in der Vorwoche - um den Verkauf von Kokain an minderjährige Neuruppiner. Diesem Rauschgifthandel sollen sich die Angeklagten Sandy B. und René N. schuldig gemacht haben. Das Verfahren wird nach der Sommerpause am 9. August fortgesetzt. "Ein Ende ist noch nicht absehbar", sagte Landgerichtssprecher Frank Jüttner. Insgesamt gab es bisher 19 Verhandlungstage , an denen 22 Zeugen und ein Sachverständiger gehört wurden. Fünf der Angeklagten haben speziell zu den Drogengeschäften Teilgeständnisse abgelegt, darunter Bandenchef Olaf Kamrath. Vor dem Landgericht müssen sich neun Angeklagte der XY-Bande im Alter von 31 bis 40 Jahren verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gegründet und unterstützt zu haben. Zudem soll die Bande mit Drogen gehandelt, ein Bordell betrieben und illegales Glücksspiel organisiert haben. Ihren Namen erhielt die Bande, weil ihre Mitglieder auf den Autonummernschildern die Buchstabenkombination XY hinter dem Ortskennzeichen Ostprignitz-Ruppin führten. MAZ
Märkische Allgemeine Zeitung 12.07.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Prozess um "XY-Bande" geht morgen weiter
Weitere Zeugenbefragung / Erstes Urteil bald erwartet
Neuruppin - Nach einer vierwöchigen Sommerpause wird der Prozess gegen die "XY-Bande" in Neuruppin morgen fortgesetzt. Das Landgericht will zwei Zeugen anhören, darunter die Ex-Freundin eines Angeklagten. "Möglicherweise wird schon kommende Woche das Verfahren um einen der Angeklagten vom Hauptverfahren abgetrennt", sagte Gerichtssprecher Frank Jüttner heute. Dann könnte schon bald das erste Urteil fallen. Für das Hauptverfahren sind allerdings noch zahlreiche Verhandlungstage bis zum 20. Dezember eingeplant. In dem Prozess müssen sich neun Mitglieder der "XY-Bande" im Alter von 31 bis 40 Jahren verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gegründet und unterstützt zu haben. Außerdem sollen sie mit Drogen gehandelt, ein Bordell betrieben und illegales Glücksspiel organisiert haben. Ihren Namen erhielt die Bande, da ihre Mitglieder auf den Nummernschildern ihrer Autos die Buchstabenkombination XY hinter dem Ortskennzeichen von Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) führten. dpa
Märkische Allgemeine Zeitung 08.08.2005
 
Märkische Oderzeitung
Sommerpause beendet: Prozess um die "XY-Bande" fortgesetzt
Neuruppin (ddp) Nach mehrwöchiger Ferienunterbrechung hat das Landgericht Neuruppin am Dienstag den Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der so genannten XY-Bande wieder aufgenommen. Im größten Prozess gegen die organisierte Kriminalität in Ostdeutschland liegen 18 Verhandlungstage hinter dem Vorsitzenden Richter Gert Wegner und seinem Team. 21 Zeugen sagten bislang aus. Doch wie lange der Prozess noch dauert, steht in den Sternen. Die Staatsanwaltschaft hat dem Gericht über 100 Zeugen benannt. Neun mutmaßlichen Mitgliedern der "XY-Bande" im Alter zwischen 30 und 43 Jahren wird in der Anklageschrift Kokainhandel, Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, illegales Glücksspiel, Erpressung sowie Betreiben eines Bordells vorgeworfen. Der Handel mit Kokain, das laut Anklageschrift ab 1997 in Gaststätten in Berlin, Neuruppin und an Autobahnraststätten übergeben wurde, soll den Männern einen Gewinn in Höhe von 1,4 Millionen Euro eingebracht haben. Der Staatsanwaltschaft zufolge war die Gruppe hierarchisch organisiert und nach au en abgeschottet. Die Angeklagten hätten sich eigene Siegelringe angefertigt und sich untereinander als "Familie" bezeichnet. Auf den Nummernschildern ihrer Nobelkarossen führten sie hinter dem Ortskennzeichen die Buchstaben XY, worauf der Bandenname zurückgehe. Als Rädelsführer nennt die Ermittlungsbehörde Olaf K., Carsten O. und Jürgen D.. Olaf K. und Carsten O. legten schon Teilgeständnisse ab. Der mutmaßliche Bandenboss Olaf K. ließ durch seinen Verteidiger verlesen, als "Mitglied einer Bande" unerlaubt mit Drogen gehandelt zu haben. Nach seiner Schätzung haben insgesamt 22 Kilogramm Kokain den Besitzer gewechselt. Dabei wurde ein Gewinn von 250 000 Euro erzielt, von dem jedoch nicht nur er profitierte. "Ich habe gegen Strafgesetze verstoßen", wurde K. ferner zitiert. Als Konsequenz legte der CDU-Kommunalpolitiker sein Abgeordneten-Mandat in der Neuruppiner Stadtverordnetenversammlung nieder und trat aus der Partei aus. Die Anklagepunkte Bildung einer kriminellen Vereinigung, unerlaubtes Glückspiel und Bestechung wies er jedoch zurück. Er ließ sich aber mit den Worten zitieren: "Wenn man so will, waren wir eine Familie". Auch Carsten O. räumte in einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung den gegen ihn erhobenen Vorwurf des Drogenhandels ein und belastete gleichzeitig Olaf K.. Er stritt aber ebenfalls ab, Mitglied einer Bande gewesen zu sein. Zum weiteren Verlauf des Prozesses sagt Jüttner, es müsse abgewartet werden, ob die neun Angeklagten weitere Angaben machten. Dies "sieht nicht so aus", fügt er hinzu. Deshalb würden die Zeugenvernehmung und die Beweisaufnahme "vollumfänglich" ablaufen müssen. Das bedeute für den Prozess ein "Open end". In Aussicht stehe jedoch, dass am Montag das Verfahren gegen einen weiteren Angeklagten abgetrennt und gesondert verhandelt werde. Es könne sein, dass dieser "nur kleinere Geschäfte" mit Drogen gemacht habe. Zudem lasse sich der Vorwurf gegen ihn, Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewesen zu sein, eventuell nicht erhärten. Das Gericht wolle sich auch unter anderem mit einem Antrag der Verteidigung zu einer möglichen Kokainsucht von Olaf K. befassen, führt der Sprecher aus. Ein psychologisches Gutachten solle klären, ob er eventuell vermindert schuldfähig sei.
Märkische Oderzeitung Dienstag, 09. August 2005 (16:30)
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Mein Freund, der Dealer
Drogen vom Liebhaber: Zeugin belastet Angeklagten Sandy B. im XY-Prozess
MARION KAUFMANN
NEURUPPIN Mit 15, irgendwann kurz nach der Jugendweihe, hat Caroline M. zum ersten Mal was eingeworfen. Ecstasy, Cannabis, Koks, Jugendpsychiatrie. Dann, mit 17, hat sie ihn kennen gelernt: Sandy B., Angeklagter im Neuruppiner XY-Prozess. "Ich hab ihn ganz dolle geliebt", sagt die heute 23-Jährige. Gestern, am ersten Verhandlungstag nach der Sommerpause, hat die Zeugin ihren Ex-Freund schwer belastet. Der Dachdecker (heute 32) war demnach nicht nur ihr Liebhaber, sondern auch ihr Dealer. Sie hätten öfter zusammen gekifft und gekokst, irgendwann hätte sie dann regelmäßig Kokain von Sandy B. gekauft. Als das Geld dafür nicht mehr reichte, habe sie ihre Eltern beklaut und sei "hobbymäßig" anschaffen gegangen. "Ich kam einfach nicht von ihm los. Das war schon krankhaft", sagte die junge Frau, die inzwischen in Hannover lebt. Schlechte Karten für den Ex: M. war damals noch keine 18. Und Drogenverkauf an Minderjährige wird besonders hart bestraft. M. war angeblich nicht die Einzige, die Sandy B. mit Drogen versorgt hat. "Jeden Abend klingelten so drei bis vier Leute, denen hat er dann was verkooft", so die Zeugin. Die verkaufsfertigen Briefchen habe er in einer Büchse in seiner Wohnung aufbewahrt. Und offensichtlich ganz gut damit verdient. Schicke Möbel, teure Autos. "Er lebte nicht schlecht", so M. Kennzeichen seiner Luxusschlitten: "SB". "Er hatte nie ein XY-Nummernschild", so M. Ob ihr Ex tatsächlich Mitglied der XY-Bande um den Ex-Stadtverordneten Olaf Kamrath war, blieb damit unbeantwortet. Man habe sich zwar gekannt, von einer Bande habe sie aber nichts gewusst. "Klar gab's Gerüchte, dass der Olaf mit Drogen handelt, aber selbst gesehen habe ich das nie", so M. An eines konnte sich die 23-Jährige jedoch gut erinnern: "Der Sandy ging immer rüber ins Blue Banana (einer der Treffpunkte der Bande. Anm. d. Red.). Wenn er zurückkam, hatte er das Zeug dabei. Päckchen, so groß wie ein Tennisball." Sie habe lange gezögert, ob sie aussagen solle. Aus Angst, ihren Ex wiederzusehen. "Schließlich habe ich ihn ja immer noch sehr lieb." Auch vom Angeklagten René N. (35) will die zierliche Frau Drogen gekauft haben. Dessen Verfahren, so der gestrige Beschluss der Richter, wird vom Prozess abgetrennt. Bereits am Montag könnte den Zimmerer sein Urteil erwarten. Olaf Kamrath hingegen muss sich noch etwas gedulden. Erst in zwei Wochen wird entschieden, ob ein Gutachter die psychische Verfassung des mutmaßlichen Bandenchefs und Ex-CDU-Mitglieds einschätzen darf. Weil Kamrath angeblich an Platzangst leide und ihm die lange Fahrt zur Verhandlung in einem engen Fahrzeug nicht zugemutet werden könne, wurde er inzwischen von der JVA Cottbus nach Wulkow verlegt.
Märkische Allgemeine Zeitung 10.08.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Erstes Urteil im Prozess um "XY-Bande"
Vier Jahre Haft für 35-Jährigen
Potsdam - Im einem der größten Prozesse um organisierte Kriminalität und Drogenhandel in Ostdeutschland gegen die so genannte XY-Bande ist ein erstes Urteil verkündet worden. Das Landgericht Neuruppin verurteilte am Montag einen 35 Jahre alten Mann wegen Drogenhandels, Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu vier Jahren Haft und entsprach damit der Forderung der Staatsanwaltschaft. Das Verfahren gegen einen der neun angeklagten Männer im Alter von 31 bis 40 Jahren war vom großen Prozess gegen die Bande abgetrennt worden. Staatsanwaltschaft und Verteidigung seien sich einig, dass der angeklagte Arbeitslose ein Kleindealer sei, sagte der Gerichtssprecher. Die Verteidigung hatte auf zwei Jahre zu Bewährung plädiert. Der Arbeitslose ist nach Ansicht des Gerichts schuldig, in 31 Fällen gewerbsmäßig mit Drogen gehandelt zu haben. Dabei soll er 30 Mal mindestens zwei Gramm Kokain an einen damals minderjährigen Neuruppiner verkauft haben. Zudem habe er dessen Schwester geschlagen. Bei einer Razzia war neben Drogen auch ein Schlagring bei dem Mann gefunden worden. dpa
Märkische Allgemeine Zeitung 15.08.2005
 
Märkische Oderzeitung
Gericht fällt erstes Urteil im XY-Prozess Neuruppin
(ddp) Im Prozess gegen die so genannte XY-Bande hat das Landgericht Neuruppin am Montag ein erstes Urteil gefällt. Der 35-jährige René N. aus Neuruppin muss wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels, Körperverletzung und Besitz eines Schlagrings für vier Jahre in Haft, wie der Vorsitzende Richter Gert Wegner bei der Urteilsverkündung sagte. Zuvor war das Verfahren gegen René N. abgetrennt worden, nachdem die Strafkammer den Anklagepunkt Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung fallen gelassen hatte. Der Prozess gegen die XY-Bande gilt als das bislang größte Verfahren gegen die organisierte Kriminalität in Ostdeutschland. Mit seinem Urteil folgte das Landgericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte dagegen auf zwei Jahre mit Bewährung plädiert. N. Vergehen würden nicht so schwer wiegen und hätten daher auch nicht im Verfahren gegen die vermeintliche XY-Bande mitverhandelt werden dürfen. Anwältin Sylvia Frommhold kündigte an, in Revision gehen zu wollen. Wegner zufolge hat der arbeitslose Zimmerer 2002 und 2003 in insgesamt 30 Fällen jeweils 2 Gramm zu jeweils 40 Euro an einen jungen Mann verkauft. Dass dieser minderjährig gewesen sei, sei N. "völlig egal" gewesen. Er habe damit zur Beeinträchtigung des Sozialverhaltens und der Gesundheit des damals 16- beziehungsweise 17-Jährigen beigetragen. Dieser sei jetzt "kaputt". Laut Wegner hatte die Schwester des Minderjährigen René N. bei der Polizei angezeigt, woraufhin dieser die Frau in einer Neuruppiner Discothek aus Rache geschlagen habe. Bei einer Durchsuchung der Wohnung von N. im August 2004 hatte die Polizei laut Wegner und Staatsanwalt Kai-Uwe Scholz noch 19 Tütchen mit jeweils 0,5 Gramm Kokain, 8 Tütchen mit jeweils einem Gramm Amphetamin, 54 Ecstasy-Pillen, einen Schlagring sowie 975 Euro sichergestellt. 800 Euro stammten aus dem Drogenhandel. Die Betäubungsmittel hat N. nach eigenen Angaben aus Berlin erhalten. René N., der unter anderem bereits wegen Körperverletzung vorbestraft ist, hatte in einem schriftlichen Geständnis vor Gericht und bei der Polizei eingeräumt, zur Finanzierung der eigenen Sucht mit Drogen gedealt zu haben. Die von seiner Verteidigerin Frommhold deshalb angeführte Steuerungsunfähigkeit ließ die Strafkammer nicht gelten. N. habe in einem "eingeschliffenen System fortlaufend Kokain verkauft - unabhängig von seinem eigenen Zustand", hob Wegner hervor. Das Verfahren gegen die übrigen acht mutmaßlichen Mitglieder der Bande wird am Dienstag mit Zeugenanhörungen fortgesetzt. Den Männern wird Kokainhandel, Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, illegales Glücksspiel, Erpressung sowie Betreiben eines Bordells vorgeworfen. Der Drogenhandel soll einen Gewinn in Höhe von 1,4 Millionen Euro eingebracht haben. Der Prozess läuft bereits seit Anfang Mai. Wie lange er noch dauert, ist ungewiss. Am 23. August steht möglicherweise eine weitere Verfahrens-Abtrennung an.
Märkische Oderzeitung Montag, 15. August 2005 (17:25)
 
Märkische Allgemeine Zeitung
XY - abgetrennt
Vier Jahre Haft für René N.: Freunde und Verteidigerinnen sind geschockt
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Schock. Vier Jahre Haft. Die beiden Verteidigerinnen sind wie vom Donner gerührt, im Zuschauerraum verlieren Freunde des Angeklagten kurzzeitig die Fassung. Zwei Mädchen brechen in Tränen aus. Die drei Staatsanwälte schauen zufrieden drein. Eben hat Richter Gert Wegner das erste Urteil im XY-Prozess im Neuruppiner Landgericht verkündet. Der arbeitslose, mehrfach vorbestrafte Zimmerer René N. (35) soll für vier Jahre ins Gefängnis - abzüglich der zehn Monate U-Haft, die er bis Juli abgesessen hatte. Vier Jahre Haft hatte Staatsanwalt Kai-Uwe Scholz in seinem Plädoyer gefordert - wegen gewerbsmäßigen Handels mit Drogen, wegen Drogenverkaufs an Minderjährige in mindestens 30 Fällen, wegen Körperverletzung und illegalen Waffenbesitzes. Verteidigerin Sylvia Frommhold hatte für Bewährung plädiert. Nicht zuletzt deshalb, weil N. alle Vorwürfe sofort nach seiner Verhaftung am 18. August vergangenen Jahres zugegeben hatte. Ohne Geständnis hätte man ihm "nicht mal ansatzweise so viele Taten nachweisen" können, hatte selbst der Richter eingeräumt. "Ganz klar", so Frommhold nach dem Urteil, "wir gehen in Revision." René N. gehört eigentlich gar nicht zur XY-Bande. Deshalb wurde sein Verfahren auch vom großen Prozess abgetrennt, der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung fallen gelassen. N. hatte von der Bande um den Ex-CDU-Stadtverordneten Olaf Kamrath zwar Drogen bezogen, die aber auf eigene Rechnung weiterverkauft. Ein Geschäftspartner der Bande, kein Mitglied. Er hat eingeräumt, in 30 Fällen je zwei Gramm Kokain an den damals 16-jährigen Neuruppiner Gregor F. verkauft zu haben, der stark kokainabhängig wurde und sich durch die Drogen Gesundheit und Karriere ruinierte. "Sie haben dazu beigetragen, dass F. jetzt so kaputt ist", sagte Wegner. Genau deshalb werde der Verkauf von Drogen an Minderjährige so hart bestraft. Vorgesehen sind mindestens zwei Jahre Haft - pro Fall. Dass alle Einzelstrafen addiert werden - wie in den USA , das gibt es in Deutschland nicht. Stattdessen wird eine Gesamtstrafe gebildet, mindestens so hoch wie die höchste Einzelstrafe. Bis das Urteil rechtskräftig ist, bleibt N. auf freiem Fuß. Das Gericht sieht keine Fluchtgefahr. Der XY-Prozess geht nun mit acht Angeklagten weiter. Einer von ihnen, der Dachdecker Sandy B. (32) hofft ebenfalls auf Abtrennung seines Verfahrens. Er hat seine Drogengeschäfte gestanden. Auch er gilt nicht mehr als Mitglied, sondern als Drogenabnehmer der Bande. Ob B. gesondert verurteilt wird, will das Landgericht Montag entscheiden.
Märkische Allgemeine Zeitung 16.08.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Erstes Urteil im XY-Prozess
Vier Jahre Haft wegen Drogenhandels
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Vor dem Neuruppiner Landgericht ist gestern das erste Urteil im so genannten XY-Prozess verkündet worden. Die Erste Große Strafkammer unter dem Vorsitz von Gert Wegner verurteilte den Neuruppiner Zimmerer René N. (35) unter anderem wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels und Drogenverkaufs an Minderjährige zu vier Jahren Haft. Sie folgte damit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte Bewährung gefordert. Sie kündigte sofort nach dem Urteilsspruch Revision an. René N. wurde zwar am 18. August vergangenen Jahres als Mitglied der Neuruppiner XY-Bande verhaftet und saß seit dem 3. Mai 2005 als Bandenmitglied auf der Anklagebank des Landgerichts, zur eigentlichen XY-Bande um den früheren CDU-Stadtverordneten Olaf Kamrath gehört er aber nicht. N. war vielmehr ein Drogen-Abnehmer der Bande und verkaufte Kokain, Speed und Ecstasy auf eigene Rechnung weiter. Der Anklagevorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wurde fallengelassen, das Verfahren gegen René N. wurde vom großen XY-Verfahren abgetrennt. Richterspruch nach 90 Minuten W ährend die anderen acht Angeklagten des XY-Prozesses am gestrigen 20. Verhandlungstag nach einer Stunde wieder abrückten - teils nach Hause, teils in die Gefängniszellen - ging der Prozess für René N. weiter. Die Plädoyers waren kurz, das Urteil fiel nach nur 90 Minuten Beratungszeit des Gerichts. Die Sachlage war im Grunde auch klar. René N. selbst gab zu, mindestens 30 mal zwei Gramm Kokain an einen Jugendlichen verkauft und eine Zeugin aus Rache geschlagen zu haben, weil sie ihn verpfiffen habe. Auch den Illegalen Waffenbesitz - es handelte sich um einen Schlagring - räumte er ein. Kokainpäckchen und Kassenbuch Bei der Durchsuchung von N.s Neubauwohnung waren zudem 30 verkaufsfertige Päckchen Kokain, 54 Ecstasy-Pillen, eine Feinwaage, diverse Drogentütchen und ein Notizbuch mit ellenlangen Listen von Namen und Euro-Beträgen gefunden worden - vermutlich N.s Kassenbuch. Strittig war lediglich, wie diese Taten bestraft werden sollten. Für das Gericht stand außer Frage: Der arbeitslose Zimmerer hat gewerbsmäßig mit Drogen gehandelt, zum Teil, um die eigene Drogensucht zu finanzieren und - besonders schwerwiegend: Er hat die Drogen an Minderjährige verkauft hat. Das sei ihm vermutlich völlig egal gewesen, so Richter Wegner. Er sprach von einem milden Urteil. "Man hätte da auch noch mehr draufpacken können." Während die Staatsanwaltschaft sich zufrieden mit dem Richterspruch zeigte, reagierte die Verteidigung entsetzt - nicht nur die von René N. Dessen Urteil gilt in Anwaltskreisen als wegweisend für weitere Sprüche im XY-Prozess. Den Hauptangeklagten wird gewerbsmäßiger Handel mit zusammen mehr als 50 Kilo Kokain vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft rechnet für die so genannten Rädelsführer der Bande mit Haftstrafen von deutlich mehr als zehn Jahren.
Märkische Allgemeine Zeitung 16.08.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Der Lauschangriff auf die XY-Bande
Ermittler hörten 114 000 Telefonate ab
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Das Landeskriminalamt (LKA) hat für die Ermittlungen gegen die Neuruppiner XY-Bande von 2000 bis 2003 insgesamt 114 000 Telefonate abgehört. Das sagte Gert Wegner, der Vorsitzende Richter der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht Neuruppin, am gestrigen Verhandlungstag im XY-Prozess. Die Verteidiger mussten ganz schön schlucken: Mit einer so hohen Zahl hatten sie nicht gerechnet. Schließlich hatten sie noch am Montag darauf bestanden, dass sie sämtliche abgehörte Telefonate mit eigenen Ohren hören dürfen, bevor diese im Gerichtssaal verlesen werden. Gerichtssprecher Frank Jüttner hat schon mal ausgerechnet, wie lange die Anwälte damit beschäftigt wären, alle Mitschnitte anzuhören, wenn jedes Telefonat nur eine Minute gedauert hat: 160 Tage, acht Stunden täglich. Jedes Gespräch abgehört D as LKA hat sich diese Mühe bereits gemacht. "Man muss nicht jedes Mal dabei sitzen, aber hinterher jedes aufgezeichnete Gespräch abhören. Das ist ein erheblicher Aufwand", sagt LKA-Sprecher Toralf Reinhardt. Die Mitglieder der XY-Bande hätten "schon mehr telefoniert als der normale Bürger". Die Zahl der abgehörten Gespräche sei aber auch deshalb so hoch, weil gegen bis zu 100 Leute ermittelt wurde, so Reinhardt. Wie hoch der Personalaufwand für so umfangreiche Ermittlungen war, wollte der LKA-Sprecher "aus ermittlungstaktischen Gründen" nicht sagen. Ein Teil der abgehörten Telefonate sollte am kommenden Dienstag im XY-Prozess öffentlich gemacht werden. Einige Protokolle hat Richter Wegner schon an früheren Verhandlungstagen verlesen - mit mäßigem Erkenntnisgewinn. Prahlereien am Telefon B isher erfuhren die Prozessbeteiligten und -beobachter vor allem, dass die XY-Leute am Telefon einen rauen Umgangston pflegten ("Na, du Stinktiert!") und dass sie gern prahlten ("Na, den hab' ick vielleicht zusammengefaltet"). Gestern wurden keine Gesprächsprotokolle, sondern zwei weitere Zeugen angehört. Einer der Zeugen war Taxifahrer Jürgen H., ein Kumpel des Kronzeugen Mario L. Der berichtete, dass Mario L. ihm gegenüber selbst einmal von einem "Deal" mit der Staatsanwaltschaft gesprochen habe. Gemeint war offensichtlich eine Aussage gegen die XY-Bande gegen ein mildes Urteil im eigenen Drogenprozess. Auf Nachfragen des Kamrath-Verteidigers Hendrik König sagte Jürgen H., er habe in dem Zusammenhang auch das Wort "Halbstrafe" gehört, damit aber nichts anfangen können. Die Verteidiger hingegen schon: Von einer Halbstrafe spricht man, wenn ein Verurteilter die Hälfte seiner Haftzeit verbüßt hat und der Rest dann zur Bewährung ausgesetzt wird. Darüber würde aber ohnehin nicht die Staatsanwaltschaft entscheiden, sondern ein Gericht. Die Neuruppiner Staatsanwaltschaft hat Berichte von einem "Deal" mit Mario L. auch schon mehrfach als "völligen Quatsch" zurückgewiesen.
Märkische Allgemeine Zeitung24.08.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
"Das klang alles ziemlich wild"
XY-Bande prägte das Lagebild der organisierten Kriminalität im Jahr 2004
KATHRIN GOTTWALD
Gleich im zweiten Satz kam der Innenminister auf die XY-Bande. Jörg Schönbohm berichtete gestern in Potsdam, wie es 2004 um die organisierte Kriminalität im Land Brandenburg stand. "Das XY-Verfahren war das herausragendste", so Schönbohm vor der Presse. Das erste Urteil im XY-Prozess - René N. wurde wegen Drogenverkaufs an Minderjährige in 31 Fällen zu vier Jahren verurteilt - zeige, warum organisierte Kriminalität so gefährlich ist. "Sie kennt keine Rücksicht und macht auch nicht vor Kindern Halt", so Schönbohm. Er sprach von der "50-köpfigen XY-Bande", wobei elf Leute zum "harten Kern" gehörten. Die anderen seien Zuträger, die "mit Strafbefehlen oder kleineren Anklagen rausgehen", so Oberstaatsanwalt Carlo Weber. Er leitet die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für organisierte Kriminalität in Frankfurt (Oder). Die wäre eigentlich für die XY-Bande zuständig gewesen. Sie hat aber die Ermittlungen Ende 2002 eingestellt, weil es vorn und hinten nicht langte", so Weber. Anfang 2003 gingen neue Hinweise in der Staatsanwaltschaft Neuruppin ein. Die nahm die Ermittlungen wieder auf. "Da zeigte sich erst das ganze Ausmaß." Er habe aber "den eingearbeiteten Neuruppiner Staatsanwälten den Fall nicht mehr wegnehmen" wollen, sagte Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg. Als Rautenberg von Gerd Schnittcher den ersten telefonischen Lagebericht zum Fall XY bekam, schickte er zwei seiner Leute von Brandenburg (Havel) zum Aktenstudium nach Neuruppin. "Das klang alles ziemlich wild." Beim Landeskriminalamt in Erberswalde (LKA) ermittelte die Ermittlungskommission "Eiche" fünf Jahre lang gegen die XY-Bande. Sie bekam je nach Bedarf Verstärkung - verdeckte Ermittler, Observierer oder Abhörspezialisten. Bis zu sieben verdeckte Ermittler des Bundeskriminalamtes waren im Einsatz, 114 000 Telefonate wurden abgehört. "Das war natürlich ein sehr großer Aufwand", sagte LKA-Chef Dieter Büddefeld der MAZ. An der Großrazzia am 18. August 2004 waren sogar 400 Polizisten beteiligt. 33 Haftbefehle gegen das organisierte Verbrechen hat es 2004 in Brandenburg gegeben. Unter den Verhafteten: neun mutmaßliche Mitglieder der XY-Bande (acht sitzen zurzeit im XY-Prozess auf der Anklagebank) und zwei korrupte Beamte, die der Bande geholfen haben sollen: Streifenpolizist Uwe N. und Ex-Liegenschaftsamtsleiter Roger Groth. "Das ist das Wesen der organisierten Kriminalität: Sie versucht immer, sich Leute in Behörden oder der Politik zu kaufen", so Schönbohm. Er wies noch auf eine brandenburgische Besonderheit im organisierten Verbrechen hin: Der überwiegende Teil der Täter ist deutsch.
Märkische Allgemeine Zeitung 26.08.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Das große Geschäft mit dem Spielgeld
Kamrath und Co. sollen mit illegalem Glücksspiel Millionenbeträge eingenommen haben
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Der Vorsitzende Richter drückt sich beinahe die Nase am Spielautomaten platt, so nah geht er an das Gerät heran. Hinter ihm stehen die anderen Richter und Beisitzer der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichtes Neuruppin und mustern die jüngsten Beweisstücke im Prozess gegen die Neuruppiner XY-Bande. "Der Automat Schloss Drachenstein wird in Augenschein genommen", gibt Richter Gert Wegner im nüchternen Tonfall zu Protokoll. Er geht noch dichter heran, um das Kleingedruckte neben dem Geldschlitz verlesen zu können. "Der Umtausch von Punkten, Freispielen, Token oder Medaillen in Geld oder Waren ist verboten. Zuwiderhandlungen sind nach Paragraf 284 STGB strafbar." Wegner richtet sich wieder zu seiner vollen Größe auf. "Es wird festgestellt, dass die Schrift klein ist und nicht ins Auge fällt." Wegner gibt drei weitere Glücksspielautomaten und einen Geldwechselautomaten zu Protokoll, danach sind die Staatsanwälte und Verteidiger mit der Inaugenscheinnahme dran. Bargeld für Spielmarken G estern ging es im XY-Prozess zum ersten Mal nur am Rande um Drogen, sondern um illegales Glücksspiel. Die Angeklagten Olaf Kamrath, Carsten O. und Jürgen D. sollen in ihren Spielotheken Gewinnmarken, so genannte Token, in Geld zurückgetauscht haben, um ihrer Kundschaft einen höheren Spielanreiz zu bieten. Die Automaten gelten als reine Unterhaltungsgeräte, legal darf man dort nur Marken zum Weiterspielen, die Token, tauschen. Der Rücktausch in Geld gilt als illegales Glücksspiel und wird, bei gewerblichem oder bandenmäßigem Betreiben, mit Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren bestraft. Kamrath und Carsten O. haben bereits zugegeben, dass in ihren Spielotheken Weiterspielmarken wieder in Geld getauscht wurden. Sie hätten aber nicht gewusst, dass dies verboten ist. Tausch-Anweisung an das Personal D ie Staatsanwaltschaft hält dies für eine Schutzbehauptung. Bandenaussteiger Daniel B., der schon in Drogensachen gegen Kamrath und Co. ausgesagt hat, sollte gestern auch als Belastungszeuge für die Glücksspielvorwürfe aussagen. Er bestätigte, dass es in allen Spielsalons der Bande die Anweisung ans Personal gegeben hatte, Token in Geld zurückzutauschen. "Aber so macht es jede Spielothek", sagte er. "Ohne Bargeldauszahlung würde da kein Mensch dran spielen", versicherte B., der früher für Kamrath die Spielautomaten gewartet hat und damals selbst spielsüchtig gewesen ist. Laut Anklageschrift sollen Kamrath, Carsten O. und Jürgen D. an den Token-Automaten allein von November 2003 bis Juni 2004 mehr als eine Million Euro Umsatz erwirtschaftet haben. Automaten, die nur mit Weiterspielmarken betrieben werden, sind zudem von der Vergnügungssteuer befreit. Für Geldspielautomaten hingegen wird ordentlich kassiert, in Neuruppin 138 Euro pro Automat und Monat. (Ostprignitz-Ruppin)
Märkische Allgemeine Zeitung 30.08.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Automaten im Gericht XY-Prozess: Glücksspielkurs für Richter
NEURUPPIN Schwerwiegende Beweise gab es gestern im Prozess gegen die Neuruppiner XY-Bande. Drei große und ein kleiner Glücksspielautomat sowie ein Geldwechselautomat trugen weiter zur Luftverknappung im Saal 1 des Neuruppiner Landgerichtes bei. Die acht Angeklagten um den ehemaligen Neuruppiner CDU-Stadtverordneten Olaf Kamrath und ihre Verteidiger wurden Zeuge, wie sich der Vorsitzende Richter Gert Wegner ("Ich bin ja in so was 'n bisschen doof.") von einem früheren Bandenmitglied und Spielsüchtigen das Glücksspiel erklären ließ. Erst das legale, dann das illegale. Kamrath & Co. sollen in ihren acht Spielotheken verbotenerweise Weiterspielmarken wieder in Geld zurückgetauscht haben. Derart motiviert habe die Kundschaft Millionenbeträge in die Automaten gesteckt, an denen es außer Spaß normalerweise nichts zu holen gibt. Zwei Angeklagte haben den Rücktausch zugegeben. Sie hätten nicht gewusst, dass er verboten ist. Den ausdrücklichen Hinweis auf das Tauschverbot las Richter Wegner gestern direkt von den Automaten ab. Ganz aus der Nähe. Er stand kleingedruckt neben dem Einwurfschlitz. kat
Märkische Allgemeine Zeitung30.08.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
XY-Prozess: bald nächstes Urteil
Sandy B. darf auf milde Strafe hoffen
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Im Prozess gegen die XY-Bande um den früheren CDU-Stadtverordneten Olaf Kamrath vor dem Landgericht Neuruppin ist für Ende September mit einem weiteren Urteil zu rechnen. Nach dem Urteilsspruch gegen den 35-jährigen Rene N. vom 15. August (vier Jahre Haft wegen des Verkaufs von je zwei Gramm Kokain an Minderjährige in 31 Fällen) werde voraussichtlich noch im September das Verfahren gegen den 32-jährigen Sandy B. abgetrennt, teilte dessen Verteidiger Veikko Bartel mit. Eigentlich sollte B.s Verfahren schon gestern abgetrennt werden. Der Vorsitzende Richter Gert Wegener hatte seine Bereitschaft dazu bereits signalisiert. Doch dann bat B.s zweiter Verteidiger um Aufschub. Er konnte gestern nicht zur Verhandlung kommen. Der Dachdecker B. darf sich laut Veikko Bartel Hoffnung auf ein mildes Urteil machen. Und das, obwohl er laut eigenem Geständnis über zehn Kilogramm Kokain von Olaf Kamrath gekauft, gestreckt und grammweise an Kleinabnehmer verkauft hat. Denn Sandy B. hat Olaf Kamrath ans Messer geliefert. Bei der Polizei packte er detailliert über seine Drogengeschäfte aus. Er nannte dabei Kamrath als seinen Lieferanten und als den Kopf der XY-Bande. Die Anklage gegen Olaf Kamrath stützt sich auch auf die Aussagen von Sandy B. Nach MAZ-Informationen hat die Staatsanwaltschaft als Gegenleistung Zugeständnisse an den Drogendealer gemacht. Sie will im Verfahren gegen Sandy B. eine Haftstrafe zwischen drei Jahren und sechs Monaten und drei Jahren und neun Monaten beantragen, auf keinen Fall mehr. Veikko Bartel bestätigte der MAZ, dass es eine solche Absprache mit der Staatsanwaltschaft gebe. Ob das Gericht dem folgt, ist aber unklar. In Strafprozessen kann es auch über den Antrag der Staatsanwalschaft hinaus gehen. Die Kammer könnte auch dem Ratschlag des psychiatrischen Gutachters Alexander Böhle folgen und Sandy B. in eine Entziehungsanstalt stecken. Der 32-Jährige gilt als schwer drogenabhängig. Er hat laut eigener Auskunft anfangs zwei Gramm, später bis zu vier Gramm Kokain am Tag konsumiert, dazu Amphetamine, Marihuana und Heroin. Gutachter Böhle ihm in der Gerichtsverhandlung am 20. Juni eine massive Abhängigkeit von verschiedenen Drogen bescheinigt. Dabei hat er unter anderem erklärt, dass Sandy B. ohne psychiatrische Betreuung und in einem alten Umfeld "sehr schnell wieder rückfällig" werden würde. In den ersten Wochen nach seiner Festnahme im August vergangenen Jahres soll Sandy B. unter schweren Entzugserscheinungen gelitten haben. B. befindet sich wie Kamrath und weitere vier Angeklagte des XY-Prozesses nach wie vor in Untersuchungshaft. Der im August zu vier Jahren Haft verurteilte René N. befindet sich hingegen auf freiem Fuß. Wie angekündigt haben N.s Verteidigerinnen Revision eingelegt, sodass das Urteil nicht rechtskräftig ist.
Märkische Allgemeine Zeitung 06.09.2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Ü-Eier für die Angeklagten
Aber das war auch schon die größte Überraschung gestern im XY-Prozess
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Wohl als Trost für die gepflegte Langeweile im Gerichtssaal verteilte Olaf E., einer der Angeklagten im XY-Prozess, gestern Kinderüberraschungs-Eier an die Mitangeklagten. Hatten die sich doch am Montag im Landgericht Neuruppin stundenlang abgehörte Telefongespräche anhören müssen. Deren Inhalt kannten sie natürlich schon, weil sie die Gespräche selbst geführt hatten. Da ging es um längere Arbeitszeiten für die Angestellten in den Spielotheken ("Die Mädels wollen nicht:" - Antwort von Olaf Kamrath: "Dann sag ihnen, dass wir uns andere suchen.") und Ähnliches. Inwiefern das Gehörte für die Beweisführung gegen die XY-Bande wichtig sein sollte, wurde nicht einmal den Verteidigern klar. Die größte Überraschung des gestrigen Prozesstages steckte in den Ü-Eiern (das Kleinkinderspielzeug wurde sofort ausprobiert). Die Zeugen hingegen sagten alle nur, dass sie nichts sagen, dazwischen lagen längere Pausen. Geladen waren fünf Angestellte der Spielothek an der Artur-Becker-Straße. Sie sollten Aufschluss darüber geben, ob Olaf Kamrath und andere Mitglieder der XY-Bande doch gewusst haben, dass das Rücktauschen von Weiterspielmarken in Geld verboten ist. Alle beriefen sich wie erwartet auf ihr Recht zu schweigen, zumal sie selbst im Visier der Ermittler stehen. Einige Angestellte aus den Spielsalons von Kamrath & Co. haben wegen Beihilfe zum illegalen Glücksspiel Strafbefehle bekommen, gegen andere läuft das Verfahren. Ein Zeuge muss aber nicht aussagen, wenn er sich damit selbst belasten würde. Am Montag sind weitere Kasino-Mitarbeiter geladen, die wohl auch alle dasselbe sagen, nämlich nichts.
Märkische Allgemeine Zeitung 07.09.2005
 
Kölner Stadtanzeiger
Die XY-Bande oder Kokain in Neuruppin
VON MONIKA ZIMMERMANN, 20.09.05, 23:11h
In Neuruppin findet derzeit der größte Prozess Brandenburgs statt: Es geht um Drogenhandel - und um Filz in einer Kleinstadt. Neuruppin -Immer montags und dienstags wird es eng im Verhandlungssaal des Landgerichts Neuruppin. Neun Angeklagte und achtzehn Verteidiger drängen sich auf den Bänken. Die, die in Handschellen vorgeführt werden, waren vor kurzem noch beneidete Mitglieder der Gesellschaft. Die jungen Männer, alle zwischen dreißig und vierzig, hatten Geld und fuhren dicke Autos - zumeist mit dem Kennzeichen XY. Inzwischen weiß man: Das Geld für die teuren Gefährte und das Luxusleben stammte aus dem Drogenhandel. Was als Deckung des Eigenbedarfs begann, wurde ein großes Geschäft mit Tendenz zum Größenwahn. Küchen, Parkplätze, Spielhallen in Neuruppin dienten als Treffpunkte und Umschlagplätze. Allzu große Vorsicht ließ man nicht walten. Schließlich war man wer in Neuruppin. Besonders Olaf K., der Hauptangeklagte und mutmaßliche Anführer der so genannten XY-Bande, hatte es geschafft: Er war Vorsitzender des Fußballclubs und Stadtverordneter der CDU. Aus dem Würstchenverkäufer war ein Unternehmer, aus dem Spielhallenbetreiber ein Investor geworden. Nahezu alle Angeklagten kommen aus Neuruppin - wie die meisten der 150 Zeugen auch. Man kennt sich aus gemeinsamen Schul- oder Lehrzeiten, man grüßt sich, man weiß alles voneinander. Nur jetzt, vor Gericht, da wollen plötzlich alle gar nichts mehr gewusst und sich auch kaum gekannt haben. Der 18. August 2004 hat Neuruppin verändert. 400 Polizisten waren im Einsatz - und festgenommen wurden die, die jetzt auf der Anklagebank sitzen, aber auch: Roger G., der Leiter des städtischen Grundstücksamtes; eine Mitarbeiterin der städtischen Gewerbeabteilung. Beide haben Tipps gegeben und Zuwendungen erhalten. Festgenommen wurde der Streifenpolizist Uwe N. Er hatte die Bande gewarnt, wenn es brenzlig wurde. Wie konnte es so weit kommen? Frank Jüttner, Richter am Landgericht, sagt es so: "Die Angeklagten haben sich unerhört sicher gefühlt in Neuruppin". Sie haben sich nicht versteckt, sie haben aufgetrumpft. Das machte sie zwar verdächtig, doch über ein Jahr der verdeckten Ermittlung war nötig, um nicht nur der kleinen Dealer, sondern auch der Drahtzieher habhaft zu werden. Was nun im größten Prozess Brandenburgs verhandelt wird, liest sich in der Anklageschrift so: Bildung einer kriminellen Vereinigung, bandenmäßiger Kokainhandel, illegales Glücksspiel, Bestechung. Angeklagt sind 266 Straftaten. Die vier Hauptangeklagten haben jahrelang kiloweise Kokain aus Holland importiert, mit Milchpulver gestreckt und weiterverkauft - zumeist an Zwischenhändler aus Berlin. Ihnen drohen Strafen bis zu 15 Jahren Haft. Neuruppin, knapp außerhalb des Speckgürtels von Berlin gelegen, gilt als die preußischste aller Preußenstädte. Nach der Wende sind 30 000 russische Soldaten abgezogen, aber 33 000 Neuruppiner sind geblieben. Früher war das Elektrophysikalische Werk der Hauptarbeitgeber, jetzt ist die Stadt Mittelzentrum. Der Tourismus wurde entwickelt. "Weil wir gut sind und immer auf die eigene Kraft vertraut haben", sagt Bürgermeister Golde auf die Frage, warum viele in Neuruppin die Wende gut schafften. Ist Filz der Boden, auf dem die kriminelle Energie der XY-Bande gewachsen ist? Der Neuruppiner Bundestagsabgeordnete Ernst Bahr (SPD) spricht lieber von Netzwerken. Das Netzwerk in Neuruppin atme einen schlechten Geist, meint der, der sich 1993 - damals noch als Landrat - gezwungen sah, die Stadt unter Zwangsverwaltung zu stellen. Der Wirtschaftsdezernent musste gehen, über ihm schwebte der Vorwurf der Zweckentfremdung von Geldern. Doch inzwischen ist Jens-Peter Golde Bürgermeister. Golde folgte "Onkel Otto" nach, wie der langjährige PDS-Bürgermeister Otto Theel in Neuruppin genannt wird. Beide, Golde und Theel, hatten hohe Posten in der SED. Es erregte in Neuruppin keinen Anstoß, dass Theels Sohn Andreas die städtischen Fahrgastschiffe betreibt. Und dass die Event-Agentur des anderen Theel-Sohn von Aufträgen der Stadt und den Stadtwerken lebt. Dann ist da noch die graue Eminenz der CDU, Reinhard Sommerfeld. Früher war er Kampfgruppenleiter im Elektromagnetischen Werk, heute führt der Unternehmer einen Elektronikhandel. Als väterlicher Freund führte er Olaf K. in Partei und Gesellschaft ein. All diese Verstrickungen zu klären, braucht Zeit. Die Richter haben ein Jahr eingeplant. (KStA)
 
Rbb online
XY-Bande: Vier Jahre Haft für Angeklagten
Im Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der so genannten XY-Bande hat das Landgericht Neuruppin am Montag ein zweites Urteil gefällt. Wegen 139-fachen unerlaubten Handels mit Drogen wurde ein 32-jähriger Angeklagter zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt, wie das Gericht mitteilte. In 35 Fällen soll der Angeklagte Rauschgift an Minderjährige verkauft haben. Das Gericht ordnete den Angaben zufolge eine Unterbringung des Mannes wegen dessen Kokainsucht in einer Entzugsklinik an. Das Verfahren gegen den Angeklagten wurde mit dem Richterspruch abgeschlossen. Alle Prozessbeteiligten seien übereingekommen, dass sich der Vorwurf einer Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gegen den 32-Jährigen nicht belegen lasse, betonte der Sprecher. Im August war bereits ein 35-jähriger Mann aus Neuruppin wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels und Körperverletzung zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Im bislang größten Prozess gegen organisierte Kriminalität in Ostdeutschland müssen sich nun noch sieben mutmaßliche Mitglieder der Bande vor Gericht verantworten. Ihnen wird Kokainhandel, Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, illegales Glücksspiel, Erpressung sowie das Betreiben eines Bordells vorgeworfen.
Stand: 17.10.2005 18:28
 
Welt.de
"XY-Bande": Zweiter Angeklagter zu Haft verurteilt
Neuruppin - Im Prozeß gegen die "XY-Bande" hat das Landgericht Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) gestern einen zweiten Angeklagten zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Kammer sprach den 32jährigen des gewerbsmäßigen, illegalen Drogenhandels schuldig, wie Gerichtssprecher Frank Jüttner mitteilte. Er habe das Kokain vom Hauptangeklagten Olaf Kamrath bezogen. Wegen der schweren Kokainsucht des 32jährigen sei die Unterbringung in einer Entzugsklinik angeordnet worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der ursprüngliche Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung habe sich im Fall des gelernten Dachdeckers nicht bestätigt, sagte der Sprecher. dpa
Artikel erschienen am Di, 18. Oktober 2005
 
Märkische Allgemeine Zeitung
Tag der Abrechnung Zweiter XY-Angeklagter verurteilt
KATHRIN GOTTWALD
NEURUPPIN Teure Autos, Designermöbel und die Edeldroge Kokain - das waren die Leidenschaften des Neuruppiners Sandy B (32). Mehr Luxus, als sich ein arbeitsloser Dachdecker leisten kann. Es sei denn, er handelt selbst mit Drogen - wie Sandy B. Seit 2000 hat B. in Neuruppin einen florierenden Kokainhandel betrieben. Einmal pro Woche kam die Lieferung von der XY-Bande, mindestens 50 Gramm. Meist bekam B. es von Bandenchef Olaf Kamrath persönlich, für 40 Euro pro Gramm. Gestreckt brachte das Kokain mehr als das Doppelte ein. Mehr als 240 000 Euro soll der Drogenhandel Sandy B. eingebracht haben. Der Dealer zweigte jedesmal etwas Kokain für sich ab, streckte den Rest mit Milchpulver und verkaufte es - auch an Minderjährige. In seiner Wohnung gaben sich Junkies die Klinke in die Hand. Selbst im Treppenhaus fand die Polizei später Kokain. Am 18. August 2004 flog alles auf. Der Kern der XY-Bande wurde verhaftet, mit ihm Sandy B. Bei B. fanden die Ermittler noch 19 Gramm Kokain, verkaufsfertig verpackt. Sandy B., aus guter Familie stammend, aber schon wegen Diebstahls, Betrugs und sogar Fischwilderei vorbestraft, kam zum ersten Mal in seinem Leben ins Gefängnis. Es war die Hölle für ihn. Der Dealer war selbst schwer drogenabhängig geworden. Bis zu vier Gramm Kokain hatte er am Tag genommen, dazu Aufputschmittel und Heroin. Nun der kalte Entzug. Vier Wochen lang litt B. schlimmste Qualen. War er deshalb nach seiner Verhaftung so kooperativ? Sandy B. bekam ein Angebot von der Staatsanwaltschaft. Wenn er ein Geständnis ablegt und die Hintermänner nennt, würde der Staatsanwalt vor Gericht weniger als vier Jahre Haft fordern. Sandy B. nahm an. Er lieferte unter anderem Olaf Kamrath ans Messer, aber auch weitere Mitglieder der XY-Bande, Zulieferer und Abnehmer des Kokains. Gestern war Tag der Abrechnung. B.s Verfahren wurde vom XY-Prozess abgetrennt, er bekam sein Urteil: vier Jahre Haft und Einweisung in eine Entziehungsanstalt - mehr als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Für Richter Gert Wegner ist die Strafe mild. B. sei zwar ein Kronzeuge gewesen, habe aber auch "erhebliche Mengen" des gefährlichen Kokains in Verkehr gebracht. Ob seine Kunden minderjährig oder schwer abhängig waren, sei ihm dabei völlig gleichgültig gewesen. Wegner fand aber auch: "Vier Jahre reichen."
Märkische Allgemeine Zeitung 18.10.2005
 
Märkische Oderzeitung
"XY-Bande": Mutmaßlicher Rädelsführer brach sein Schweigen
Potsdam (dpa) Am 41. Prozesstag hat ein mutmaßlicher Rädelsführer der so genannten XY-Bande vor dem Landgericht Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) sein Schweigen gebrochen. Der 37 alte Angeklagte räumte am Dienstag ein, mehrmals mit größeren Mengen Kokain gehandelt zu haben, sagte Gerichtssprecher Frank Jüttner. Damit habe er seinen eigenen Drogenkonsum gedeckt, hieß es in einer von der Verteidigerin verlesenen Erklärung. Dem Mann wird - wie weiteren Angeklagten - unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung und Rauschgifthandel vorgeworfen. In der Erklärung gab der 37-Jährige zu, mehrmals mit Kokain gehandelt zu haben, andere Fälle stritt er dagegen ab. Zum Vorwurf des illegalen Glücksspiels sagte er, er habe nicht gewusst, dass die an so genannten Fun-Spielgeräten gewonnenen Spielmarken nicht in Geld umgetauscht werden dürfen. Im Übrigen seien seine Beziehungen zu den anderen Angeklagten geschäftlicher Natur gewesen. Angefangen beim Alkohol habe sich sein Drogenkonsum über Marihuana bis zum Kokain immer mehr erhöht, hieß es in der Erklärung. Zuletzt habe sich sein ganzer Alltag nur noch um die Droge gedreht, bis er psychisch zusammengebrochen sei. Darunter habe auch die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, mit der er ein kleines Kind habe, gelitten. Schon vor der Razzia bei den heutigen Angeklagten im August 2004 sei die Geschäftsbeziehung zum Hauptbeschuldigten Olaf K. beendet gewesen. Der Erklärung zufolge sollte der 37-Jährige nach einem gerichtlichen Vergleich für sein Ausscheiden aus verschiedenen Gesellschaften 100 000 Euro bekommen. Davon seien aber nur 4000 Euro geflossen. Mit Olaf K. sei er seit Jugendtagen befreundet gewesen. Die Freundschaft sei allerdings zerbrochen, als er eine Beziehung mit der Frau von Olaf K. begonnen habe. Der Prozess soll am kommenden Montag fortgesetzt werden.
Märkische Oderzeitung Dienstag, 22. November 2005 (17:43)
 
Märkische Oderzeitung
Gutachter: Kopf der Neuruppiner "XY-Bande" vermindert schuldfähig
Neuruppin (dpa) Im Prozess gegen die so genannte "XY-Bande" hat ein Gutachter dem Hauptangeklagten verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt. Ein Berliner Facharzt für Neurologie und Psychiatrie erklärte, der Hauptangeklagte habe wegen seines Kokainkonsums eine Persönlichkeitsveränderung erlitten und sei daher nur vermindert schuldfähig, wie eine Sprecherin des Landgerichts Neuruppin am Dienstag sagte. Das Gutachten war von der Verteidigung in Auftrag gegeben worden. Der Mediziner habe dafür allerdings nur den Hauptangeklagten und dessen Lebensgefährtin befragt, sagte die Gerichtssprecherin. Die Kammer habe dem Gutachten daher Beweise gegenüber gestellt, die die rege Geschäftstätigkeit des Angeklagten während der Zeit seines Drogenkonsums belegen und eine Persönlichkeitsveränderung widerlegen sollten. Vor dem Landgericht müssen sich sieben Angeklagte unter anderem wegen Drogenhandels und illegalen Glücksspiels verantworten. Der Name der Bande geht auf das Kennzeichen "OPR-XY" auf den Nummernschildern der Autos der mutmaßlichen Mitglieder zurück. Das Verfahren, das im Mai 2005 begonnen hatte, ist derzeit bis Ende Juli terminiert. Der nächste Verhandlungstag ist der 10. Juli.
Märkische Oderzeitung Dienstag, 04. Juli 2006 (18:02)
 
Märkische Oderzeitung
BGH in Leipzig prüft Revisionen im XY-Prozess
Leipzig/Neuruppin (ddp) Die Urteile in einem der bisher größten Prozesse gegen die Organisierte Kriminalität in Ostdeutschland stehen seit Dienstag auf dem Prüfstand des 5. Senats des Bundesgerichtshofes (BGH) in Leipzig. Die obersten Richter müssen entscheiden, ob die Urteile des Neuruppiner Landgerichts gegen die sogenannte XY-Bande Bestand haben. Die Anwälte von sechs der insgesamt sieben Angeklagten, unter anderem des mutmaßlichen Rädelsführers Olaf K., hatten gegen den Richterspruch Revision beantragt. Die Neuruppiner Staatsanwaltschaft legte in zwei Fällen Rechtsmittel ein. In dem Prozess soll voraussichtlich am Donnerstag eine Entscheidung verkündet werden. Nach 17 Monaten Prozessdauer hatte das Neuruppiner Landgericht im September 2006 sechs von sieben Angeklagten unter anderem des bandenmäßigen Drogenhandels oder der Beihilfe dazu sowie des illegalen Glücksspiels für schuldig befunden. Der Anklagepunkt der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung war fallengelassen worden. Der mutmaßliche Kopf der Bande, Olaf K., soll für zwölf Jahre ins Gefängnis. Gegen die beiden weiteren Rädelsführer Carsten O. und Jürgen D. verhängte das Gericht Gesamthaftstrafen von jeweils neun Jahren. Drei weitere Angeklagte sollen Haftstrafen zwischen drei und acht Jahren verbüßen. Die Bande hatte in Neuruppin über Jahre im großen Stil mit Kokain gehandelt und soll auch Verbindungen in die Politik sowie zu Verwaltung und Polizei gehabt haben. Fahnder gaben der Gruppe den Namen XY-Bande, weil ihre Mitglieder auf den Nummernschildern ihrer Nobelkarossen nach dem Kreiskennzeichen OPR (Ostprignitz-Ruppin) die Buchstabenfolge XY führten.
Märkische Oderzeitung Dienstag, 22. Januar 2008
Märkische Allgemeine
XY-Prozess vor dem Bundesgerichtshof Neuruppiner Fall nun in Leipzig
NEURUPPIN - Der sogenannte XY-Prozess um organisierten Drogenhandel und illegales Glücksspiel beschäftigt heute den Bundesgerichtshof (BGH). Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat überprüft in mündlicher Verhandlung zunächst die Urteile von zwei der damals sieben Angeklagten. Dabei geht es insbesondere um den Freispruch eines 46-Jährigen. Dieser war seinerzeit mit der Schwester des Hauptangeklagten, des früheren Neuruppiner CDU-Stadtverordneten Olaf Kamrath, liiert. Kamrath wurde vor 16 Monaten als Bandenchef zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Mitangeklagte erhielten Haftstrafen zwischen drei und neun Jahren. Das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom September 2006 ist in keinem Fall rechtskräftig geworden. Die Staatsanwaltschaft legte in allen Fällen – mit dem Ziel höherer Strafen – Revision ein. Sie hatte vor dem Landgericht Haftstrafen bis zu 14 Jahren gefordert. Im Fall des Freispruchs beantrage sie vier Jahre Haft, doch das Gericht in erster Instanz sah nicht genügend Beweise gegen den 46-Jährigen. Ein Komplize, dessen Fall zeitgleich in Leipzig verhandelt wird, war zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der 42-Jährige kämpft um einen Freispruch. Ein Urteil des Gerichts wird noch am selben Tag erwartet. Auch Kamrath und seine Komplizen sind in Revision gegangen. Ihre Fälle will der 5. Strafsenat jedoch ohne mündliche Verhandlung per Beschluss entscheiden. Ein Termin für ein Urteil in diesen Fällen nannte das Gericht nicht. In der Regel erfolgt die Entscheidung aber parallel zu der jeweiligen Verhandlung. Der Prozess um die „XY-Bande“ gehörte zu den größten um organisierten Drogenhandel in Ostdeutschland und beschädigte den Ruf der Stadt, die als „ Klein Palermo“ bezeichnet wurde. Laut Urteil hatte die Bande über Jahre hinweg mit Kokain gehandelt. Die Kontakte sollen bis in Politik, Verwaltung und Polizei gereicht haben.
(MAZ) 22.01.2008
Märkische Oderzeitung
Urteile gegen XY-Bande weitgehend bestätigt
Leipzig/Neuruppin (dpa) Die Verurteilung der Hauptangeklagten im sogenannten XY-Prozess um organisierten Drogenhandel und illegales Glücksspiel ist rechtskräftig. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag entschieden. Damit blieben die Revisionen der Betroffenen ohne Erfolg, teilte der in Leipzig ansässige 5. BGH-Strafsenat mit. Den früheren CDU-Stadtverordneten Olaf Kamrath erwartet damit eine Haftstrafe von zwölf Jahren. Das Landgericht Neuruppin hatte ihn im September 2006 als Bandenchef verurteilt. Mitangeklagte erhielten Haftstrafen zwischen drei und neun Jahren. Ein 46-Jähriger wurde freigesprochen. Auch dieses Urteil ist jetzt rechtskräftig. (Az.: 5 StR 253/07) Erneut unter die Lupe genommen werden müssen nach dem Urteil der Leipziger Richter aber die Fälle von zwei Randfiguren. Die Bewertung ihrer Tatbeteiligung erschien den Leipziger Richtern zweifelhaft. Bislang sind sie nur als Gehilfen und nicht als Bandenmitglieder verurteilt worden. Möglicherweise verändert sich dadurch die Strafhöhe. Die Prozesse müssen aber nicht völlig neu vom Landgericht Neuruppin aufgerollt werden. Der Leiter der Schwerpunktabteilung Korruptionsbekämpfung bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin, Frank Winter, begrüßte die BGH- Entscheidung. "Wir sind hochzufrieden. Damit ist dieses Mammutverfahren im Wesentlichen abgeschlossen", sagte er der dpa. Die Staatsanwaltschaft habe immer den Schwerpunkt auf die Haupttäter gelegt "und da sind wir vollumfänglich erfolgreich". Der Prozess gegen die "XY-Bande" gehörte zu den bislang größten um organisierten Drogenhandel in Ostdeutschland und beschädigte den Ruf der Stadt Neuruppin, die deshalb schon als "Deutschlands Klein Palermo" etikettiert wurde. Laut Urteil gründete sich die Bande 1999 und handelte bis 2003 mit Kokain und Marihuana. Ein Teil der Bande veranstaltete daneben bis 2004 unerlaubtes Glücksspiel. Die Kontakte sollen bis in Politik, Verwaltung und Polizei gereicht haben. Ihren Namen erhielt die Bande, weil ihre Mitglieder auf den Nummernschildern ihrer teuren Wagen nach dem Ortskennzeichen die Buchstabenfolge XY als Zeichen der Verbundenheit führten.
Märkische Oderzeitung Donnerstag, 24. Januar 2008 (16:05)
Märkische Allgemeine
Urteile gegen Hauptangeklagte rechtskräftig Revision von Mitgliedern der Neuruppiner XY-Bande erfolglos
LEIPZIG/NEURUPPIN - Die Verurteilung der Hauptangeklagten im sogenannten XY-Prozess um organisierten Drogenhandel und illegales Glücksspiel ist rechtskräftig. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) gestern entschieden. Damit blieben die Revisionen der Betroffenen ohne Erfolg, teilte der in Leipzig ansässige 5. BGH-Strafsenat mit. Den früheren CDU-Stadtverordneten Olaf Kamrath erwartet damit eine Haftstrafe von zwölf Jahren. Das Landgericht Neuruppin hatte ihn im September 2006 als Bandenchef verurteilt. Mitangeklagte erhielten Haftstrafen zwischen drei und neun Jahren. Ein 46-Jähriger wurde freigesprochen. Auch dieses Urteil ist jetzt rechtskräftig. Erneut unter die Lupe genommen werden müssen nach dem Urteil der Leipziger Richter aber die Fälle von zwei Randfiguren. Die Bewertung ihrer Tatbeteiligung erschien den Leipziger Richtern zweifelhaft. Bislang sind sie nur als Gehilfen und nicht als Bandenmitglieder verurteilt worden. Möglicherweise verändert sich dadurch die Strafhöhe. Die Prozesse müssen aber nicht völlig neu vom Landgericht Neuruppin aufgerollt werden. Der Prozess gegen die „XY-Bande“ gehörte zu den bislang größten um organisierten Drogenhandel in Ostdeutschland und beschädigte den Ruf der Stadt Neuruppin. Laut Urteil gründete sich die Bande 1999 und handelte bis 2003 mit Kokain und Marihuana. Ein Teil der Bande veranstaltete daneben unerlaubtes Glücksspiel. Die Kontakte sollen bis in Politik, Verwaltung und Polizei gereicht haben. Ihren Namen erhielt die Bande, weil ihre Mitglieder auf den Nummernschildern ihrer teuren Wagen nach dem Ortskennzeichen die Buchstabenfolge XY führten.
(MAZ) 25.01.2008
Märkische Allgemeine
Olaf E. und Mario K. müssen erneut vor Gericht Bundesgerichtshof verwirft Revisionen der Hauptangeklagten im XY-Prozess
LEIPZIG - Die Urteile der vier Hauptangeklagten im XY-Prozess, darunter der zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilte Olaf Kamrath, sind seit gestern rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen der wegen Kokainhandels, illegalen Glückspiels und Bestechung Verurteilten verworfen. Neu verhandelt werden die Fälle Olaf E. und Mario K. Keinen Erfolg hatte die Staatsanwaltschaft mit ihrem Bemühen, den Freispruch von Thomas B. aufzuheben. Der 46-Jährige bleibt auf freiem Fuß. Eine Neuverhandlung wird es nicht geben. „B. kommt zugute, dass diese scheußliche Bande vom Landgericht nicht als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde“, sagte der vorsitzende Richter Clemens Basdorf. „Dann wäre die bloße Mithilfe strafbar.“ Trotz erheblicher Zweifel werde der Freispruch von B. rechtskräftig, da in einem neuen Verfahren auch keine eindeutige Beweislage zu erwarten wäre. Im Fall Mario K. bedauert der Richter „technische Fehler“ im Verfahren. K. hatte selbst Revision eingelegt. Das Strafmaß des vom Landgericht wegen Beihilfe zum Drogenhandel zu sechs Jahren und sieben Monaten Verurteilten wird vor dem Landgericht neu verhandelt werden. Olaf E. muss sich dort ebenso neu verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte seine Strafe als zu milde beanstandet. Zwar gebe Basdorf dem Landgericht Recht, das „sehr vorsichtig angesichts der schwierigen Beweislage“ nur drei Fälle von Beihilfe zum Drogenhandel ausmachen konnte. „Aber bei der Frage, wer Mitglied der Bande ist, war es zu zurückhaltend“, begründet der Richter das Urteil. E. wurde vom Landgericht in Neuruppin bisher nicht als Mitglied der XY-Bande behandelt. Der Bundesgerichtshof empfiehlt, das zu prüfen und danach eine neue Strafe anzusetzen. Oberstaatsanwalt Frank Winter ist im Großen und Ganzen mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs zufrieden. „Natürlich hätten wir uns im Fall des Freispruchs eine Überprüfung gewünscht“, sagt Winter, „aber das haben wir jetzt so hinzunehmen.“ Es trübe nicht den Umstand, dass das gesamte XY-Verfahren zu einem guten Ende gekommen sei. „Es ging uns auch hauptsächlich um die Hauptangeklagten.“ Für die Verfahren gegen Olaf E. und Mario K., die jetzt noch einmal auf den Plan des Landgerichts gerufen werden, rechnet der Oberstaatsanwalt mit einem geringen Aufwand.
MAZ vom 25.01.2008 (Von Corinna Buschow)